Der Haarwuchs bei den männlichen Vertretern unserer Spezies ist eine merkwürdige Angelegenheit. Wer wartete als Heranwachsender nicht sehnsüchtig auf die ersten angedeuteten Bartstoppeln, um sie stolz Mama und Papa zu präsentieren? Die tasteten dann die Kinnpartie ab und titulierten sie pflichtschuldig als äußerst kratzig, obschon sie sich objektiv bestenfalls weich und flaumig anfühlte. Die mageren Reste der ersten Rasierversuche, die jeder nächtlichen Körperbedeckung eine erkennbare Steigerung des Wohlfühlfaktors verschafft hätten, wurden davon unbeirrt als Botschafter des Mannwerdens herzlich willkommen geheißen.
Mit den Jahren jedoch wandeln sich die maskulinen Gefühle zur Kopfbehaarung. Zunächst wird die Rasur zur lästigen Pflicht. Dann mutiert der Friseurbesuch von der gerngenutzten Chance, sich leicht bekleidete Damen in einschlägigen Zeitschriften zu Gemüte zu führen zur langweiligen und kostenpflichtigen Zeitverschwendung. Führt er schließlich zu ersten Bedenken, ob der Friseur nicht demnächst eine Umschulung ins Auge fassen sollte, wird Mann langsam aber sicher alt. Die Haare verschwinden jedoch nicht einfach, sie wechseln nur den Standort. Was auf der Kopfhaut trotz teurer Rettungsversuche immer spärlicher wird, wächst mit Vorliebe aus Nase und Ohren nach. Wohl dem also, der eine Partnerin hat, die sich diesem unerwünschten Zuwachs dezent widmet, um erste Verfallserscheinungen nicht allzu offenkundig dem näheren Umfeld zu enthüllen.
Ich bin in der glücklichen Position, als randständiger Neuköllner vor geraumer Zeit trotz räumlicher Distanz mit einer patenten Moabiterin kollidiert zu sein, die sich dieser Aufgabe vorbehaltlos angenommen hat und mir somit eine Galgenfrist verschafft, bevor mich schändliche Jugendliche freundlich als Opa ansprechen. Doch was ohne Fragen oder Bitten geschieht, ist deshalb noch lange nicht umsonst, wie ich neulich leidvoll erfahren habe. In jedem traurigen Anlass liegt aber auch eine Chance. Und sei es nur die, meine Geschlechtsgenossen vor allzu großer Vertrauensseligkeit zu warnen.
Liebe Männer, überlegt euch genau, ob und wenn wann ihr eure Ohren in die Obhut einer Frau zu geben gedenkt. Ich habe den Fehler, dieses nicht genügend bedacht zu haben, fast mit dem Leben bezahlt. Als ich vorgestern vergaß, meiner Haarverwalterin eine Tüte Äpfel vom Kaufmann unseres Vertrauens mitzubringen - sie bevorzugt Braeburn, mit was anderem sollte ich besser nicht ankommen - war noch nicht viel passiert. Als ich mich beim Kochen weigerte, der Soße mit Ingwer einen etwas gesünderen Anstrich zu verpassen, hätte ich bei besserer Beobachtung schon ein leichtes Stirnrunzeln bemerken können. Aber spätestens nachdem ich vehement meinen Wunsch durchsetzte, anschließend Fußball zu gucken, hätten alle meine Sinne geschärft sein sollen.
Waren sie aber nicht. Nach dem Spiel bot sie mir mit säuselnder Stimme an, mal wieder meine Nasen- und Ohrenhaare zurückzustutzen und ich nahm siegestrunken an. Bei der Nase war noch alles okay, aber als das rechte Ohr an der Reihe war, entlud sich ihr ganzer Zorn in einem gezielten Stich in die Ohrschlagader. Was für eine Sauerei. Im Nu war das Zimmer übersät mit tiefroten Flecken. Ich bin dann ohne Schuhe raus und habe es der Ohnmacht nahe soeben noch in die Notaufnahme des nahegelegenen Krankenhauses geschafft. Fast anderthalb Liter Blut hatte ich verloren. Wäre das Krankenhaus nur fünf Minuten weiter entfernt gewesen, hätte sich die Forumsleitung überlegen müssen, ob sie mir einen Nachruf widmet (ein kleines RiP hätte ich nett gefunden).
Später dann kam meine Moabiter Freundin mich besuchen. Meiner Blutspur zu folgen, machte ihr keinerlei Mühe. Sie beteuerte natürlich, dass es sich um ein schreckliches Versehen handele, dass es ihr unendlich leid täte, und dass sie froh sei, dass ich es halbwegs unbeschadet überstanden habe. Aber wir, liebe Männer, wir wissen es besser!
In diesem Sinne,
bleibt gesund und schafft euch Ohrenschützer an.