von Skatkommentator » 16. Mär 2010 19:00
@ohne 11: Du willst Vorhand spielen lassen, obwohl sie vor Beendigung des Reizens den Skat aufgenommen und damit gegen 3.3.9 S. 1 ISkO verstoßen hat und es nicht geschafft hat, vor der Beanstandung ihres Regelverstoßes ein Spiel anzusagen? Das ist in meinen Augen zwar eine pragmatische, aber keine regelkonforme Entscheidung.
@chris:
Das ist ein sehr interessanter Fall. Deine Entscheidung halte ich - bis auf eine (allerdings wichtige) Kleinigkeit - für richtig. Nehmen wir einmal an, der Alleinspieler und ein Gegenspieler hätten 10 Karten und ein Gegenspieler hätte 9 Karten und im Skat lägen 3 Karten. Der Alleinspieler würde in diesem Fall jedes angesagte (Hand-)Spiel in den Grenzen von 5.4.3 ISkO gewinnen. Beanstandet der Alleinspieler hingegen den 3-Karten-Skat vor der Spielansage, hat er nicht sofort das angesagte Spiel gewonnen. Stattdessen muss er laut ISkG gemäß 3.3.10 ISkO entscheiden, ob er spielen oder einpassen will, da eine (schwer bis gar nicht widerlegbare) Vermutung dafür spricht, dass der Gegenspieler mit 9 Karten den Skat anstelle seiner ersten oder dritten ausgeteilten 3-Karten-Lieferung aufgenommen hat. Will der Alleinspieler in diesem Fall spielen, werden die 9 Karten des schuldigen Gegenspielers gemischt; anschließend zieht der Kartengeber aus diesen 9 Karten 2 Karten verdeckt als neuen Skat, wohingegen der schuldige Gegenspieler den 3-Karten-Skat (verdeckt) erhält. Schließlich wird das Spiel durchgeführt und seinem Ausgang entsprechend gewertet.
Wendet man diese Skatgerichtsrechtsprechung auf den vorliegenden, quasi umgekehrten Fall an (Alleinspieler hat 9 Karten, Gegenspieler haben jeweils 10 Karten, der Skat besteht aus 3 Karten), gelangt man zu dem gleichen Ergebnis. Der Alleinspieler entscheidet gemäß 3.3.10 S. 3 ISkO analog, dass er nicht spielen will, da er jedes angesagte Spiel verlieren würde ("analog" deswegen, weil 3.3.10 S. 3 ISkO nur für solche Fälle gilt, denen ein Gegenspieler den Skat aufgenommen hat). Allerdings kann in diesem Fall auf das Kartenziehverfahren verzichtet werden (das ist die angesprochene Kleinigkeit). Im ersten Reizdurchgang hat nämlich keiner der regelverstoßfreien Spieler vor dem Passen ein Reizgebot abgegeben, sodass diese Spieler (hier Mittel- und Hinterhand) gemäß 3.3.9 S. 5 ISkO nicht an einem etwaigen neuen Reizdurchgang teilnehmen dürfen. Da auch Vorhand wegen ihres Regelverstoßes nicht an einem etwaigen neuen Reizdurchgang teilnehmen darf, ist das Spiel bereits mit der Feststellung des Regelverstoßes von Vorhand als eingepasst zu werten; Mittel- und Hinterhand darf hier also nicht die Gelegenheit gegeben werden, noch einmal zu reizen und Alleinspieler zu werden. Abgesehen davon freue ich mich über diesen Fall, weil er den 3-Karten-Skat-Fällen wider Erwarten noch einen neuen Aspekt abgewinnt.
Wer sich näher mit den 3-Karten-Skat-Fällen beschäftigen möchte, dem empfehle ich die Lektüre der Punkte AG01* bis AG01E* in der kommentierten ISkO (ist schnell mittels Strg + F zu finden). Sollte ich mich hier oder dort in irgendeinem Punkt geirrt haben, lasse ich mich gerne darauf hinweisen. Immerhin gehören die 3-Karten-Skat-Fälle nicht umsonst zur schwierigsten Materie der Skatregeln.