marvin hat geschrieben:Ich kann ja Johns Anliegen gut verstehen (wenngleich mich das immer wieder Herumreiten auf 4.5.2 langsam nervt...).
Das Problem aus Sicht des Schiedsrichter-Wesens: Wenn ich mit Sicherheit wüsste, dass es eine unbeabsichtigte Handlung war, könnte ich mich mit einer Entscheidung "Gnade vor Recht" anfreunden. Schließlich hat auch die Gegenpartei die Karte gesehen und im Zweifelsfall einen größeren Vorteil als der AS, der sowieso noch weiß, was er gedrückt hat.
Jedoch: Wenn wir damit anfangen, könnte ein geschickter AS, der unbedingt nochmals den Skat sehen will, auf die Idee kommen, es wie einen Unfall aussehen zu lassen. Er tut beispielsweise so, als habe er sich über irgendetwas erschreckt und schiebt dabei mit dem Ellenbogen den Skat vom Tisch. Wer will es ihm nachweisen, dass es Absicht war und kein Versehen.
Das ist dasselbe wie wenn der AS in MH oder HH aus Versehen zum 1. Stich ausspielt. Immer wieder höre ich: Das ist doch nicht so schlimm, warum soll man das denn gleich mit Spielverlust bestrafen, soll er doch die Karte zurücknehmen, die GP hat ja sogar einen Vorteil davon. Aber wenn man das so machen würde, dann könnte ein AS, der liebend gerne VH wäre, einfach mal testweise ausspielen und wenn es jemand merkt, dann beruft er sich auf ein Versehen.
Klar hinkt der Vergleich - ein unberechtigtes Ausspielen als Versehen darzustellen ist viel leichter, als eine unberechtigte Skateinsicht wie ein Versehen aussehen zu lassen. Deshalb würde es mir immer noch Bauchkrämpfe bereiten, wenn ich wegen der klebenden Karte auf Spielverlust entscheiden müsste. Nur: Was soll man denn stattdessen machen?
John, abstrahiere mal davon, dass du zu wissen glaubst, es war ein Versehen. Du wirst an den Tisch gerufen und hast bis dahin nichts mitbekommen. Die GP reklamiert, der AS habe nach Spielansage den Skat aufgedeckt. Der AS behauptet, es war keine Absicht. Die GP fordert dennoch Spielverlust, weil es ihrer Ansicht nach sehr wohl Absicht gewesen sein könnte. Und nun? Videobeweis anfordern, damit du dir selbst ein Bild machen kannst? Oder sollen wir gleich neben jeden Tisch einen SR setzen, der permanent das Spielgeschehen überwacht um im Zweifelsfall nicht den Wahrheitsgehalt der widersprüchlichen Aussagen bewerten zu müssen?
Vermutlich ist es tatsächlich das kleinere Übel, einen Spieler für einen versehentlich begangenen Regelverstoß zu bestrafen. Wer deswegen aufhört, ist charakterlich auch nicht sonderlich gefestigt. So etwas muss man wegstecken können und daraus lernen.
Ich denke, die einzige Herangehensweise an ein Problem. Was ist passiert, wenn ich das so oder so ( für alle einheitlich ! ) regle, was kann passieren ?
Und letztendlich geht es immer um ein Abwägen. Ist der Nutzen, den der AS aus einer nachträglichen Einsicht in den Skat erfährt wirklich so groß, dass es Spielverlust nach sich ziehen muss/sollte. Wenn der Skat für alle sichtbar wird, gleicht der Vorteil für die GP den für den AS aus , so dass hier auf den Spielverlust "amtlich" verzichtet werden kann ?
Gleiches mit dem unberechtigten Ausspiel des AS. Wer hier nur seinen Nachteil sieht und es generell durchgehen lassen will, begünstigt eben das von Marvin erwähnte ( und ja, dieses Risiko MUSS man eben auch Bedenken, egal zu welchem "formalen" Beschluss man letztendlich gelangt ) bewusste unberechtigte Ausspiel .
Man kann, hier schließt sich der Kreis zu John, dem 4.5.2 natürlich versuchen, mehr Gewicht zu geben. Aber meiner Meinung nach nicht auf eine Art und Weise, die zu "Kraut und Rüben" durch Schiedsrichterentscheidungen führt.
Wenn ich aber so manchen Spieler mir anschaue, sind die nicht unbedingt "unfair" oder "punktgeil" wenn sie bei scheinbaren "Kleinigkeiten" sofort ihr Recht einfordern. Ich würde behaupten, dass, gerade im "nicht so regelkundigen" Bereich durchaus der Glaube vorherrscht, man MÜSSE jeden Regelverstoß sofort anden und dürfe garnicht darüber hinweg sehen.
Ich denke, es würde , so zum Starten, einfach schon mal reichen, entweder den 4.5.2 oder den 4.510 um einen Passus zu erweitern, dass es "jedem Mitspieler gestattet ist, Regelverstöße aus Kulanz nicht zu ahnen". Und das dann auch "zu vermarkten".
Vielleicht würde so etwas schon dazu führen, dass bei 100 Fällen wie im Eröffnungsbeitrag wirklich nur noch die 5-10 "Pissnelken" überhaupt einen Schiri rufen.
So ist das Skatspiel eben - manche Spiele verliert man, und manche gewinnen die anderen
Ein Weiser schätzt kein Spiel, wo nur der Zufall regieret.
Gotthold Ephraim Lessing