Also, erstmal möchte ich sagen, dass Du einen Super-Beitrag geschrieben hast, marvin.
Da konnte man wirklich rauslesen, dass Du Dir sehr viele interessante und gehaltvolle Gedanken zu dem Thema gemacht hast. Schade, dass das bisher nur Spock gewürdigt hat. Zu einigen Punkten möchte ich noch ein paar Gedanken ergänzen.
marvin hat geschrieben:Spieler A möchte die Stärke von B einschätzen und beurteilt diese vor allem in den Situationen, wo A und B gemeinsam Gegenspieler gegen einen Alleinspieler C sind. Geht B auf die von A gewünschte Spielweise ein? Spielt er die Karten, die A in der Situation spielen würde? Tut B das wiederholt nicht, so hält man ihn für einen schwachen Spieler.
marvin hat geschrieben:Die Argumentation setzt voraus, dass A optimal spielt und daher jede Abweichung von seiner Vorstellung bedeutet, dass B schwächer ist.
Bescheidenheit ist nach meiner Erfahrung im Skatsport eine absolute Ausnahme. Die allermeisten Spieler sind ungemein von sich und ihrem Spiel überzeugt. Das gilt selbst für die, bei denen man sich die Frage stellt, worauf sich diese Selbsteinschätzung wohl begründen mag, da 2 von 3 ausgespielten Karten eindeutig falsch sind. Von daher schätzt fast jeder Spieler A alle, die nicht seine Wunschkarte spielen, schwächer ein. Dabei erlebt man übrigens manchmal ein witziges Phänomen. Denn es passiert oft genug, dass die Wunschkarte kommt, nicht zum Spielgewinn führt, und der Spieler hinterher kackfrech behauptet, er hätte eine ganz andere Karte sehen wollen, was B ja nun wirklich auch hätte erkennen müssen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt...
Nun gibt es aber, wenn man sich gut kennt, und die Spielstärke nebst dem Spielerfolg eine eindeutige Rangfolge nicht mehr wegdiskutierbar machen, eine oft zu beobachtende Verkehrung dieser fast schon als Bestandteil des Spiels zu bezeichnenden Großmannssucht. In einer solchen Situation wird von den gleichen Großsprechern der erwiesen Bessere oft zum Skatheiligen ernannt. Spielt er eine falsche Karte, konnte er das natürlich nicht wissen - auch wenn es noch so klar auf der Hand liegt. Da sieht man mal wieder, dass das vermeintlich Gegensätzliche - in diesem Fall Selbstüberschätzung und Devotismus - meist ganz nah beisammen sind. Man könnte fast geneigt sein, zu sagen, sie seien nach dem Yin Yang-Prinzip zwei Seiten einer Medaille.
marvin hat geschrieben:Skatspiel ist nicht nur Gegenspiel! Und nicht jeder Skatspieler, der schlecht im Gegenspiel ist, muss daher zwingend ein schwacher Alleinspieler sein. Im Gegenteil: Ich glaube, es gibt einige Spieler, die ihr eigenes Blatt sehr gut einschätzen können und als Alleinspieler sehr gut vortragen, so dass sie im Alleinspiel viele Punkte machen. Damit gleichen sie aus, dass sie im Laufe einer Serie drei Spiele weniger umdrehen – oder überkompensieren das sogar.
Dieser Aussage würde ich nur bedingt zustimmen. Es ist eher die Ausnahme, dass Spieler, die das Gegenspiel beherrschen, im Alleinspiel schwach sind und umgekehrt. Wer weiß, wie man Spiele umbiegt, kann auch die Qualität seiner Blätter einschätzen. Und in der Regel weiß er auch, wann er Grand spielen kann bzw. sollte. Dass es risikobereitere und risikoscheuere Typen gibt, ist davon unbenommen, aber kein Qualitätsmerkmal.
Aber es gibt eine ganze Reihe technisch limitierter Spieler, die über einen ungeheuren Instinkt verfügen. Sie erkennen einfach die richtige Situation, wann sie draufgehen müssen, und wann besser nicht. Das ist zum Teil sicher einer guten Menschenkenntnis und Beobachtungsgabe zuzuschreiben, aber zum Teil für einen Vernunftsmenschen wie mich nicht methodisch erklärbar.
Die jahrzehntelange Erfahrung hat mich jedoch gelehrt, zu akzeptieren, dass es da etwas gibt, was offenbar nicht gelernt werden kann. Das hat man oder man hat es - wie ich - eben leider nicht.
Ob man einen solchen Instinkt als Qualitätsmerkmal bezeichnet, bleibt jedem selbst überlassen. Ihn jedoch als reines Glück abzutun, ist ebenso ehrabschneidend wie falsch. Ich kenne zu viele Spieler, die dauerhaft wesentlich mehr Punkte machen, als ihnen von ihrem technischen Vermögen zustehen würden, um das noch als Zufall abtun zu können.
Dieser Instinkt kommt im Alleinspiel allerdings besser zum Tragen, weil es in sehr vielen Spielen technisch etwas weniger Ansprüche stellt (sprich, es gibt weniger Fehlerquellen). Daher rührt m.E. der oft geäußerte Satz, ein Spieler spiele seine eigenen Spiele besser als die Gegenspiele.
Ich möchte an dieser Stelle jedoch einen Aspekt einbringen, der in diesem Zusammenhang noch nicht diskutiert wurde. Skat ist ja nicht Skat. Es gibt in diesem Sport unterschiedliche Disziplinen, die jeweils eigene Ansprüche haben. So ist z.B. der Mannschaftsskat mit dem Einzelskat nur ganz schwer zu vergleichen, da in ihm das taktische Spiel eine viel größere Rolle spielt. Auch der sogenannte Geldskat mit Kontra/Re und der Möglichkeit, offen zu spielen, hat seine eigenen Gesetze. Und der Skat EnDeux erst recht. Da ist es kaum verwunderlich, dass es Spezialisten für die einzelnen Disziplinen gibt. Mein einstiger Lehrmeister, durch den ich überhaupt erst zum Skat zurückgefunden habe, ist z.B. ein äußerst starker Mannschafts- und Einzelspieler, aber im EnDeux sieht er gegen gute Leute keine Sonne.
Der von mir sogenannte Instinktspieler hat seine Stärken zumeist im Einzelskat, vorallem wenn es um kurze Distanzen geht (1-3 Serienturniere). Hier wirkt sich sein gutes "Näschen" am meisten aus und hier richten seine Schwächen im Gegenspiel am wenigsten Schaden an. Die Frage, ob jemand als Skatspieler besser oder schlechter einzuschätzen ist, muss also differenziert beantwortet werden. Und dabei kommt es - wie so oft - eben auf den Blickwinkel an. Der technisch versierte, taktisch gut ausgebildete Mannschaftsspieler, wird - welch Überraschung - sagen, das seien genau die Qualitäten, die es braucht, um ein Guter zu sein. Der Instinktspieler findet hingegen ganz andere Antworten auf die gleiche Frage...
marvin hat geschrieben:Angenommen, in einem Club mit 50 Deppen (Erwartungswert 800) und einem guten Spieler (Erwartungswert 1.000) wird eine Jahreswertung über 50 Serien ausgetragen. Die Standardabweichung sei bei allen Spielern 500. Dann hat zwar jeder Depp nur eine Chance von gut 2%, den guten Spieler zu schlagen. Dennoch wird am Ende des Jahres mit hoher Wahrscheinlichkeit einer der Deppen gewonnen haben. Im zweiten Jahr hat dann ein anderer Depp das nötige Glück, so dass der gute Spieler wieder leer ausgeht...
Zunächst mal meinen allergrößten Respekt vor Deinen mathematischen Überlegungen. Hier im Forum sind ja viele mathematisch begabte Spieler, zu denen ich immer neidvoll aufblicke. Du hast das aber so schön erklärt, dass selbst ich das meiste verstanden zu haben glaube (ich hoffe, dass ich da nicht irre
).
Der von mir zitierte Part leuchtet dabei nicht nur ein, er ist außerdem auch noch hübsch formuliert und setzt bei mir ziemlich schadenfrohe Phantasien frei. Ich stell mir gerade vor, dem guten Spieler zur fünften Vizemeisterschaft im Deppenclub zu gratulieren und ihn zum Meister der Herzen auszurufen.
Allerdings sei auch hier ein (sogar statistisch) ernster Einwurf gestattet. Befinden sich in einem Club zehn "800er Deppen" und zehn "1000er", verkehrt sich das Bild dramatisch. Ich weiß zwar nicht, zu welchen Werten die Mathematik da kommt, aber ich habe noch nie erlebt, dass einer der Deppen dann die Jahreswertung gewonnen hat. Meiner Erinnerung nach war noch nicht mal jemand in der Nähe eines Vereinsmeistertitels, der im Schnitt um 200 Punkte schlechter ist als die Besten des Vereins.
Beste Grüße vom Monsieur