Ich habe das Privileg, mit einem der weltbesten Spieler (viele meinen sogar, er sei derzeit der Beste überhaupt) in einem Verein spielen zu dürfen. Wenn Du regelmäßig gegen ihn spielst, merkst Du schnell, warum er schon so viele große Turniere gewonnen hat. Das hat überhaupt nichts mit Glück zu tun.
Es ist (für mich) immer wieder faszinierend, wie dieser Mann selbst in den nervenaufreibendsten Stresssituationen fast jede Entscheidung richtig trifft. Und wenn Du ihn hinterher fragst, warum er so gespielt hat (was man meist nicht muss, weil er speziell unter dem Einfluss alkoholischer Getränke recht redselig ist
), kriegst Du grundsätzlich eine gut begründete Antwort, die nur in ganz wenigen Fällen einer zeitintensiven Spielanalyse am warmen Ofen zuhause nicht standhält. Will sagen, allein die mathematisch-analytischen Fähigkeiten dieses Spielers sind außergewöhnlich.
Aber das allein ist es bei weitem nicht. Es gibt durchaus ein paar mehr Spieler, die ähnliche spielerische Fertigkeiten haben. Davon aber haben längst nicht alle sein Konzentrationsvermögen und seine schon angesprochene Nervenstärke, die sehr oft in entscheidenden Situationen den Ausschlag gibt. Es ist eine Sache, Klasse im Grunde zu besitzen und eine ganz andere, sie auch in den Momenten, wo es um die Wurst geht, abrufen zu können.
Dazu hat dieser Spieler eine Fähigkeit, die viel zu oft beim Skatspielen unterschätzt wird. Er beobachtet seine Gegner ganz genau. Wenn er mit einem Spieler am Tisch sitzt, den er noch gar nicht oder kaum kennt, prägt er sich in kürzester Zeit alles ein, was er an Informationen über den Spieler bekommen kann (und das Meiste davon merkt er sich auch noch, ich beneide ihn sehr um sein Gedächtnis).
Das geht los beim Reizverhalten. Auch bei Spielen, die dieser Spieler nicht bekommen hat, achtet er auf jede Karte, um sich hinterher das Blatt zusammenzureimen, mit dem der Spieler beispielsweise bis 30 gereizt hat. Das geht weiter mit der Beobachtung der Spielweise. Wann und wie oft blänkelt der Spieler, spielt er oft unterm Ass auf, spielt er eher von seiner 10 zu dritt oder vom K zu dritt usw. usw. Das machen im Prinzip zwar alle richtig Guten, aber kaum jemand so akkurat und detailliert.
Mit diesen im Kopf zusammengestellten "Spielerprofilen" arbeitet er. Daran macht er - wenn sein Blatt unterschiedliche Strategien erlaubt - seine Reiz- und Drückentscheidungen fest. Und nicht zuletzt auf diesen Informationen baut er seine spezielle Spielweise bei schwachen Spielen und im Gegenspiel auf. Auch er trifft nicht jede Entscheidung richtig, aber aufgrund seiner viel größeren "Datenbasis" hat er eben eine deutlich höhere Quote als die meisten. Vorallem dann, wenn es drauf ankommt, also richtig wichtig wird.
Es gibt (leider) beim Skat auch gar nicht so selten Schmu, gegenseitige Gefälligkeiten und manchmal auch handfesten Betrug. Aber daraus abzuleiten, dass Spieler, die immer wieder vorne zu finden sind, dies nur mit unlauteren Machenschaften schaffen, ist definitiv Unsinn (hast Du auch gar nicht behauptet, Andreas, ich betone es nur, weil viele so denken). Wer regelmäßig gegen Spitzenspieler spielt und gut genug ist, um die Feinheiten ihrer Spielweisen zu erkennen, weiß, warum sie immer wieder vorne landen.
Beste Grüße vom Monsieur