Anlass zu diesem Beitrag ist die Frage eines Skatfreundes, wann man von der Stärke des Blattes her eine (An-)Reizberechtigung hat (@edit: Nicht zu verwechseln mit etwa einem "Freifahrtschein zum Ausreizen", darum soll es hier keinesfalls gehen!)
"Anreizen" heißt dabei in meinen Augen, bei "18-passe-passe" eine Reinguck-18 zu reizen oder ein- bis zwei Mal mitzuhalten, bevor man dann ggf. aussteigt.
Da mit dem bekannten "Zehner-System" in meinen Augen zu viele Blätter weggelassen werden, habe ich ein paar Serien lang etwas genauer auf meine eigenen Reizungen geachtet und bin dabei auf ein 6-Punkte-Reizsystem gekommen, mit dem ich bis jetzt recht gut fahre und das ich hier als mögliche Alternative zur Diskussion stellen möchte.
Demnach hat man immer dann eine (An-)Reizberechtigung, wenn man mit seinen zehn Handkarten auf mindestens sechs "neutrale" (s. unten) Punkte kommt.
Die Punkte setzen sich folgendermaßen zusammen:
- - jeder Trumpf zählt einen Punkt
- Jedes Ass in der Beikarte zählt einen Punkt
- Jede Zehn in der Beikarte zählt einen halben Punkt
- Jede Farbe die man nicht hat zählt einen halben Punkt
- Die drei besten Bauern von oben zählen einen weiteren Punkt, jede zusätzliche Spitze ebenfalls
- Fehlen die ersten vier oder mehr Spitzen (=mindestens "ohne 4") gibt es einen Punkt Abzug
Nun spielen neben der Spielstärke der Gegner im Normalfall noch drei weitere Faktoren eine Rolle, die ich mit einem
- (+) für "mit Vorteil" oder einem
(-) für "mit Nachteil"
1) Welche Buben hat man auf der Hand?
- Hat man Kreuzbauern bzw. Pikbauern mit Herzbauern?
Dann gibt es ein (+)
Hat man nur einen roten Bauern oder gar keinen Bauern?
Dann gibt es ein (-)
2) Wie viele Asse?
- Hat man zwei oder alle drei Fehl-Asse, gibt's ein (+)
Hat man weniger als zwei Fehl-Asse, gibt's ein (-)
3) Sitzt man in vh, mh oder hh?
- In vh gibt es ein (+)
in mh gibt es ein (-)
hh bleibt wertneutral.
Vorgehensweise bei der Blatteinschätzung kann sein:
- 1) Punkte zählen (Anzahl der Trümpfe, Asse und Zehner, freie Farben, sieht man schon bei der Blattaufnahme)
2) "Vorteile/Nachteile" abwägen (vh/mh/hh? Welche Buben habe ich? zwei oder mehr Asse?)
3) Punkte und Vorteile/Nachteile kombinieren
Wenn man dann auf mindestens ein "neutrales" 6er-Blatt kommt, kann man (an-)reizen. Anfänger oder defensivere Spieler können auch anfangs z.B. nur 7-Punkte-Blätter reizen. (wobei gerade Anfänger mMn eher offensiv reizen sollten, um zu lernen, wie man auch die "Wackeldinger" durchbekommt!).
Zur Veranschaulichung zunächst drei grenzwertige Beispiele
Beispiel 1
Ihr führt in vh
5 Trumpf in kreuz ergibt 5 Punkte.
zwei zehner in der Beikarte macht einen weiteren Punkt
---------------
Gesamt: 6 Punkte
Der Kreuz Bube ergibt ein (+)
Vorhand ergibt ein weiteres (+)
Es fehlen drei Fehl-Asse, ergibt ein (-)
Hier handelt es sich also insgesamt um ein 6(+)Blatt (gesprochen: "Ein 6er Blatt mit Vorteil"), welches man anreizen kann.
- Ein 6 Punkte Blatt mit "Nachteilen" sollte m.E. nur sehr vorsichtig oder gar nicht (an-)gereizt werden (oft nur eine "reinguck-18"), eine 6 "ohne Nachteile" ist mMn das Mindeste, was man auf der Hand haben sollte - ab 6(+) oder 6,5(-) Punkten kann man mMn auch schonmal eine 18 halten bzw. ggf. schonmal etwas weiter gehen, spätestens ab 7(- -) sollte man m.E. zuversichtlich reizen.
Beispiel 2
Ihr führt in mh
- vier Trumpf in kreuz zählen vier Punkte
- drei Asse zählen drei weitere Punkte
- zwei zehner zählen einen weiteren Punkt
- Die ersten vier Spitzen fehlen, also gibt es einen Punkt Abzug
------------------
= 7 Punkte
die mh-Position ergibt ein (-)
kein Bube auf der Hand (-)
drei Asse in der Beikarte ergibt ein (+)
Insgesamt handelt es sich hier also um ein 7(-) ("ein 7-Punkte-Blatt mit Nachteil"), welches man reizen sollte.
Beispiel 3
Ihr führt in hh
Fünf Trumpf in karo ergeben fünf Punkte.
Ein Ass in der Beikarte ergibt einen Punkt
------------
=6 Punkte
Zwei fehlende Asse ergeben ein (-)
Die beiden Mittelbauern ergeben ein (+)
Insgesamt handelt es sich hier ebenfalls um ein neutrales 6er Blatt, das man anreizen kann.
Weitere Beispiele
Beispiel 4
Ihr führt in vh
6 Trumpf in kreuz ergeben 6 Punkte
ein Ass ergibt einen Punkt
eine zehn ergibt einen halben Punkt
eine Farbe frei ergibt einen halben Punkt
----------------
8 Punkte
vh ergibt ein (+)
die beiden Mittelbauern (+)
zwei fehlende Asse (-)
Insgesamt handelt es sich um ein 8(+)Blatt ("Ein Acht-Punkte-Blatt mit Vorteil"), das in jedem Fall gereizt werden sollte.
Beispiel 5
Ihr führt in mh
6 Trumpf = 6 Punkte
ein Zehner = 1/2 Punkt
--------------
6,5 Punkte
nur einen roten Bauern (-)
mh = (-)
drei Asse fehlen (-)
Insgesamt handelt es sich um ein 6,5(- - -)Blatt (ein 6,5 Punkteblatt mit drei Nachteilen), welches man (an)reizen sollte.
Beispiel 6
Ihr führt in mh
6 Trumpf = 6 Punkte
1 Ass = 1 Punkt
eine Farbe frei = ein halber Punkt
---------------
7,5 Punkte
beide Mittelbauern (+)
in mh (-)
zwei Asse fehlen (-)
Insgesamt handelt es sich um ein 7,5(-)Blatt ("Ein 7,5 Punkte-Blatt mit Nachteil"), welches gereizt werden sollte.
Beispiel 7
Ihr führt in vh
6 Trumpf ergibt 6 Punkte
2 Asse = 2 Punkte
vier Buben fehlen = ein Punkt Abzug
------------
= 7 Punkte
Vh ergibt ein (+)
Zwei Asse ergibt ein (+)
kein Bube vorhanden (-)
Insgesamt handelt es sich um ein 7(+)Blatt ("ein 7-Punkte Blatt mit einem Vorteil"), das auf jeden Fall gereizt werden sollte.
Zwei Beispiele für Unterschiede zum 10er-System
Folgende Karte ist nach dem 10er-System reizbar, da sie 10 Punkte ergibt:
Nach dem 6er-System ergäbe diese Karte lediglich 5,5 Punkte und sollte entsprechend nicht angereizt werden.
Folgende Karte reizt man nach dem 10er-System z.B. nicht an, da man hier nur auf 8 Punkte käme:
Nach dem 6er-System kommt man hier auf ein 6,5(+)Blatt, mit dem eine (An-)Reizberechtigung besteht.
Beispiel 7 (s.o.) ergäbe nach dem 10-Punkte-Reizsystem ein 9-Punkte-Blatt, welches mit Vorsicht behandelt werden sollte. Nach dem 6er-Reizsystem hat das Blatt 7 Punkte, hier besteht also eine klare Reizberechtigung.
Wie man die Unterschiede der beiden Systeme wertet und wofür man sich letztlich entscheidet, bleibt jedem selber überlassen. Letztlich kann man bei über 2 Billiarden Verteilungsmöglichkeiten wohl mit keinem der Reiz-Systeme alle Kombinationen abdecken; als Richtlinien zur besseren Blatteinschätzung taugen sie m.E. dennoch allemal.
Die Spiele "Null" und "Grand" habe ich außenvorgelassen, da dort andere Gesetzmäßigkeiten gelten.
Was haltet Ihr von diesem Reizsystem? Verbesserungsvorschläge?
Wenn Ihr es mal ausprobiert und Eure Erfahrungen damit schildert, würde ich mich freuen.
Ein "Gut Blatt!"
Matthias