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Spielbarkeit nach klassischer oder Seeger-Rechnung

BeitragVerfasst: 17. Jul 2021 00:46
von Sitt
Hallo, ich stelle hier ein für mich bemerkenswertes Theorem dar, von dem mich interessiert, ob es schon bekannt ist. Ich bin leider, was Skatliteratur angeht, vollkommen ungebildet und weiß daher bei dem, was ich mir überlegt habe, nicht sicher, ob es neu ist oder nicht eigentlich den meisten bekannt, die sich tiefer mit dem Spiel beschäftigen. Bei dem hier habe ich geglaubt, dass es bekannt sein müsste, aber seid ich in der Diskussion zum Null Hand gemerkt habe, das wir doch etwas verschieden denken, will ich das hier doch einmal teilen.

Es geht um den Begriff der Spielbarkeit, und zwar abhängig von der Art die Punkte zusammenzuzählen: "klassisch" (ohne die 50 für gew./verl. Spiele) oder mit diesen Zusatzpunken. Ich nenne ein Blatt aus 12 Karten (nicht 10) spielbar genau dann, wenn es im Erwartungswert unter Einbeziehung einer gegebenen Spielweise der Gegner keine Minuspunkte bringt. Null Punkte erlaube ich auch, weil ich persönlich im Zweifel lieber Alleinspieler bin. Genauer ist von klassischer Spielbarkeit und SF-Spielbarkeit zu sprechen, weil bestimmt sein muss, auf welche Art die Punkt zu Stande kommen, um über Spielbarkeit zu entscheiden. Die Spielweise X aller Spieler muss festgelegt sein, damit die Wahrscheinlichkeiten eindeutig sind. Man kann z.B. praktisch ideales Spiel aller Spieler voraussetzen, oder ideales Spiel nach Maßgabe der gegebenen Informationen, oder auch Eigenheiten von bestimmten Spielern. Ich hoffe, das ist soweit harmlos und unproblematisch. Nun das

Theorem. Jedes klassisch spielbare Blatt ist SF-spielbar.

Für Nullspiiele ist das schnell klar, weil die ab 2/3 Chance klassisch spielbar und schon etwas darunter SF-spielbar sind.

Um es für Farb- und Grandspiele zu beweisen, verwenden wir allgemeine Formeln zum Erwartungswert der Punkte, die ein Blatt einbringt. Die wiederum beweise ich an dieser Stelle allerdings nicht, weil ich vermute, dass die bekannt sind. Falls nicht, kann das gesondert geklärt werden.

Hilfssatz 1.
klassischer Blattwert für ein 12-Karten-Blatt B bei Spielweise X: W^k(B, X) = w(A^k) · sum(i) (T + i) (P^i_S(X) - 2P^i_N(X))

(summiert wird über die Zusatzgewinnstufe i: Einfach 1, Schneider 2, Schwarz 3)

SF-Blattwert für ein 12-Karten-Blatt B bei Spielweise X: W^k(B, X) = W^k(B, X, A^SF) + 50*(2P_S(X) - 1).

Zeichen:
A^k ~ optimales Spiel auf lange Sicht (klassisch)
A^SF ~ optimales Spiel auf lange Sicht (Seeger-Fabian)
w(A^k) ~ Spielwert zur Spielart A^k
T ~ Spitzenfaktor von B.
P^i_S(X) ~ Siegchance bei Spielweise X in der Stufe i.
P^i_N(X) ~ Verlustchance bei Spielweise X in der Stufe i.
W^k(B, X, A^SF) ~ klassischer Spielwert in der Spielart A^SF
P_S(X) ~Gesamtsiegwahrscheinlichkeit

Formal lässt sich (klassische) Spielbarkeit jetzt formulieren als die Ungleichung W^k(B, X) >= 0, SF analog.

Hilfssatz 2. Ein Blatt bei Spielweise X ist genau dann SF-spielbar, wenn für die Gesamtsiegwahrschienlichkeit gilt:

P_S(X) >= (50 - W^k(B, X, A^SF))/100.

Beweis. zu Hilfssatz 2.
Ein Blatt bei Spielweise X ist genau dann SF-spielbar, wenn W^k(B, X, A^SF) + 50*(2P_S(X) - 1) >=0. Einfaches umformen genügt. QED

Beweis zum Theorem.

Sei ein Blatt B gegeben, das klassisch spielbar ist. Dann gibt es also eine optimale Spielart A, mit der W^k(B, X) >= 0 ist. Ich zeige jetzt, dass das Blatt in der Spielart A auch SF-spielbar ist.
Dafür reicht es aus, die Ungleichung vom Hilfssatz 2 zu verifizieren:

P_S(X) >= (50 - W^k(B, X, A))/100.

Wegen der klassischen Spielbarkeit W^k(B, X, A) >= 0 genügt es zu zeigen, dass die Gesamtsiegwahrscheinlichkeit P_S(X) >= 1/2. Sie muss tatsächlich mindestens 50% sein, denn mit weniger als 50% wäre das Blatt niemals klassisch spielbar gewesen. Für wen das eine bekannte Tatsache ist, könnte der Beweis hier schon enden. Wer das nicht gleich glaubt:

Nehmen wir an, die Chance wäre kleiner als 50%. Und nehmen wir weiter an, die Chancen verteilen sich so günstig wie irgendmöglich für den AS auf die Gewinnstufen: gewinnt der AS, gewinnt er Schwarz, verliert er, dann nur einfach. Dann würde für den klassischen Blattewert gelten:

0 <= W^k(B, X) = w(A^k) · sum(i) (T + i) (P^i_S - 2P^i_N) = w(A^k) ((T + 3) * P ^3_S - 2(T + 1) * P ^1_N)

Wir können, da die Siegchance kleiner als 50% ist, verwenden, dass P ^1_N > 1/2 und P ^3_S < 1/2.

< (T + 3 - 2(T + 1))/2 = (1 - T)/2

Der Spitzenfaktor ist mindestens T = 1:

<= (1-1)/2 = 0.

Insgesamt folgt 0 < 0, ein Widerspruch. Also war die Annahme, dass P_S < 50% ein Widerspruch dazu, dass das Blatt klassisch spielbar ist. QED

Eine Folgerung hieraus ist, dass seit Einführung der Zusatzpunkte nicht plötzlich Spiele nicht mehr lohnenswert geworden wären, sondern noch sind vormalige Minusspiele Plusspiele geworden. Außerdem kann, um die theoretische Spielbarkeit geprüft werden soll, es schon genügen, ohne Seegerpunkte zu rechnen. Allerdings gilt das bei Spielvergleichen nicht.

Eine Vermutung ist, dass etwas analoges über die Reizbarkeit von 10-Karten-Blätter gilt, allerdings geht der Beweis dafür nicht mehr so schön auf und es muss eine Reihe von Fällen (Trumpfmustern) betrachtet werden, vielleicht interessiert euch das, oder ist das alles schon längst bekannt ...?

Re: Spielbarkeit nach klassischer oder Seeger-Rechnung

BeitragVerfasst: 17. Jul 2021 09:42
von Skatfuchs
Hallo,

die Grundsatzfrage bei deinen Überlegungen ist, was kann und soll der "normale Skatfreund" damit anfangen?
Vor allem noch während des Spieles, wo nur wenige Sekunden für solche Überlegungen zur Verfügung stehen.

Ich habe mal solche Überlegungen über den Break-even, ab den es sich lohnt ein Spiel zu reizen in diese Grafik aufgenommen: https://www.skatfuchs.eu/seite17.htm
Dafür habe ich das Seegersystem ohne die Punkte für die GS genommen; man kann es natürlich auch ohne die Seegerpunkte nehmen, da gibt es schon deutliche Abweichungen davon.

Re: Spielbarkeit nach klassischer oder Seeger-Rechnung

BeitragVerfasst: 17. Jul 2021 14:31
von Sitt
Wenn es niemanden interessieren sollte, könnte ich damit leben ... Es bietet sich ja die Vermutung an, dass in einem Skatforum nicht nur der "normale Skatfreund" sich rumtreibt, sondern auch nicht ganz so normale Leute wie vielleicht ich, und sowas für sich schon schön finden können. Dieses Theorem ist ja auch nichts, was für das konkrete Spiel interessant ist, oder für ein bestimmtes Spiel, sondern es stützt eher andere theoretische Überlegungen und geht für mich auch als Funfact durch - wobei Humor ja auch Geschmackssache ist - vor allem, weil es sich so vergleichsweise einfach beweisen lässt.

Die Prozente zum Breakeven habe ich bei dir auch schon entdeckt, wobei du eine gute Botschaft daraus ableitest, nämlich dass man nicht gleich 70% braucht usw., die genauen Prozente sind für die Praxis allerdings wirklich kaum brauchbar, weil die meisten Farbspiele 56% bis 60% mindestens brauchen, und wer kann das wohl, und noch vor Skateinsicht, so präzise abschätzen, wo es knapp wird? - Die Theorie interessiert das natürlich alles sehr.

Könntest du vielleicht etwas dazu sagen, welche Verbreitung dieser mein Ansatz hat oder soll ich etwa der einzige sein, der auch mal so über das Spiel nachdenkt? Ich meine damit: Definitionen aufzuschreiben dafür, was es bedeutet, dass ein Blatt einen "Blattwert", oder zu einem Spiel einen "Spielwert" hat usw. ... Ich bin immer davon ausgegangen, dass das natürlich bekannt sein muss, da es ja nicht gerade eine originelle Idee ist, das zu tun und mit mathematischer Bildung (Studium z. B.), die ja nicht alle aber viele genug haben, erledigt werden kann. Gibt es schon Literatur dazu?