Als Anregung für eine mögliche neue Reihe, die ähnlich aufgebaut sein soll wie Todos „Fehler für Anfänger“ und im Niveau daran anknüpfen, jedoch auch darüber hinausgehen könnte, bringe ich hier eine umfassende Spielanalyse. Ich persönlich mache (bei vielen Spielen, nicht nur beim Skat) immer wieder die Erfahrung, dass ich dann am meisten lerne, wenn ich die Gedankengänge erfahrener Spieler nachvollziehe und nach und nach selber anwende. Dazu eignet sich meiner Meinung nach am besten eine Art große Datenbank mit kompletten Spielanalysen, die von Spielern verfasst werden, die mindestens fortgeschrittenes Spielniveau haben und jeden einzelnen (wichtigen) Spielzug nachvollziehbar erklären. Auf diese Art und Weise könnte man sowohl den Grundbestand an Spielstrategien, die jeder fortgeschrittene Spieler zur Verfügung hat, in reale Spiele eingebettet sehen („normales“ Niveau. z.B. wann welche Eröffnung, steigen, Gegenfarbe, scharfe 10, Buben zeigen, Hebereizung, gängige Drückvarianten, Standardbluffs, Unterzug usw; dies entspräche ungefähr Todos Reihe ) als auch Gedankengänge in zunächst undurchsichtigen Situationen nachvollziehen („erhöhtes“ Niveau) sowie ganz neue Wege kennen lernen („Spitzen“-Niveau, wie es z.B. in Kannix` Beiträgen häufig zu finden ist).
Je nach Anspruch der Analyse könnte man sie im Titel entsprechend mit (+), (++) oder (+++) kennzeichnen, wobei wir dann natürlich auf mehrere Verfasser angewiesen wären, die auch das entsprechende Spielniveau haben, eine (++)- oder (+++)-Analyse zu verfassen. Ich habe diese erste Analyse mit (++) gekennzeichnet, weil sie über das Standard-Repertoire an Spielstrategien insofern hinausgeht, als man sich an einer Stelle konkret mit möglichen Gegnerblättern auseinandersetzen muss, bevor man eine Entscheidung treffen kann – die bloße Kenntnis gängiger Spielzüge hilft hier nicht mehr weiter. Ob dies allerdings wirklich schon "erhöhtes Niveau" genannt werden kann oder vielmehr das Durchspielen möglicher Restverteilungen noch zum Standardprogramm gehört, wäre zu diskutieren. Außerdem entspricht der Rest der Analyse sowieso dem Niveau (+); ich habe sie nur deshalb mit (++) bezeichnet, weil ich sie auf Grund ihrer komplexesten Stelle bewertet habe. Ob diese Art der Bezeichnung sinnvoll und praxistauglich ist, muss sich natürlich erst erweisen. Da sich außerdem sicherlich Fehler in die Analysen einschleichen bzw. Varianten übersehen oder falsch dargestellt werden, ist die gemeinschaftliche Diskussion im Anschluss daran wie immer so willkommen wie notwendig.
Wichtigstes Kriterium der neuen Reihe (so sie denn Co-Autoren findet) sollte also kurz gesagt sein, dass die Spiele aus der Sicht jedes Spielers geschildert werden und die Analysen damit möglichst viel Lerneffekt garantieren, weil man sich nach und nach von der bloßen Betrachtung der eigenen Hand lösen und eher die gesamte Konstellation, das „System“ einer gegebenen Verteilung durchschauen kann. In ähnlicher Weise ist ja auch Bernhard Kopps „Skattraining für Einsteiger“ konzipiert, in das ich immer mal wieder gerne hineinschaue.
Soweit also zum Konzept, dass ich mir ganz reizvoll vorstellen könnte. Nun aber zur ersten Analyse:
VH
MH
HH
Skat:
MH bekommt das Spiel bei 18 ohne Gegengebot. Der Skat ist nicht schlecht, denkt der AS: Damit müsste doch eigentlich der Grand spielbar sein, oder gibt’s da ein Tempoproblem in MH? Der AS überlegt: stechen, Buben abziehen, Karo von oben klären, und wenn 10 und Lusche auf einer Hand sitzen, nochmal Karo nachspielen. Dann hat man immer noch einen Buben und kann je nach Fortsetzung stechen oder abwerfen. Falls der AS abwerfen muss, will er möglichst wenig Augen abgeben, denn er hat schon öfter einen Grand verloren, weil er ein Bild oben gehalten hat und am Ende zugeben musste. Also legt MH Kreuzkönig und Herzzehn spielt Grand.
Zum Spielverlauf:
1.
VH spielt sein einziges As. Auch Pikanspiel wäre hier möglich; welche schwarze Farbe man anzieht, ist wohl Geschmacks- bzw. Glückssache, je nachdem wie der Grand von MH bestückt ist.
HH gibt von D, 9, 7 die 9 zu, um den Partner in jedem Fall später noch einmal über diese Farbe ans Spiel bringen zu können, falls es nötig sein sollte; hätte der AS Kreuzzehn und –könig gedrückt, wäre diese Rückspielmöglichkeit durch Zugabe der 7 verbaut.
MH muss nun im zweiten Stich den Buben abholen; Karo kann nicht geklärt werden, solange der Bube im Spiel ist, und Herzanspiel würde zu einem Tempoproblem führen, wenn danach Kreuz oder Pik auf den Tisch kommt; sitzen dann noch die beiden Karokarten auf einer Hand, wäre das Spiel verloren. Ob MH hier Pikbube spielt, um HH zur Zugabe eines Bildes/einer blanken 10 zu verleiten, oder durch Anspiel des Kreuzbuben zunächst verschleiert, wo der Pikbube sitzt, ist wohl wiederum Geschmackssache. In diesem Fall spielt MH
2.
Nun kann Karo geklärt werden:
3.
Karo sitzt also auf einer Hand und zudem aus Sicht des AS in der unangenehmeren Position, nämlich in VH und damit direkt vor ihm.
4.
Da HH nicht weiß, welche Kombination aus Pik und/oder Herz der AS noch führt, schmiert sie keines ihrer beiden Asse, sondern die 10 der Stechfarbe Kreuz. VH kennt nun sehr wahrscheinlich 8 der 10 Karten des AS: Drei Buben und fünfmal Karo. Aus VHs Sicht könnte zwar noch der Pikbube beim Mitspieler in HH sitzen; dieser Fall soll hier allerdings aus folgenden Gründen vernachlässigt werden:
a) hätte HH ziemlich wahrscheinlich im dritten Stich Karoas gestochen und dann VH über Kreuz wieder ans Spiel gebracht,
b) gibt es bei 18er Reizung (keine Gefahr des Überreizens) wenig vorstellbare Grandblätter in MH mit Kreuzbube, Herzbube und fünfmal Karo; die anderen beiden Karten müssten dann schon Asse sein, andernfalls spielt MH einen Hasardeur-Grand, bei dem zum Gewinn die Buben UND Karo verteilt sein müssen,
c) hätte HH bei der Zugabe des Karobuben eventuell gezögert, wenn er den Pikbuben noch hätte.
Also geht VH davon aus, dass MH noch den Pikbuben und drei Karokarten hält; somit bleiben zwei Karten aus Pik und/oder Herz übrig. Die GS haben 20 Augen liegen. Der GS in VH spielt nun nicht automatisch die Stechfarbe Kreuz nach, sondern tut das, was fortgeschrittene Spieler immer tun, wenn sie keine spontan einleuchtende Fortsetzung sehen: ER SUCHT NACH IRGENDEINER KONSTELLATION, DIE DEN GRAND BEI PERFEKTEM GEGENSPIEL NOCH STÜRZEN KÖNNTE. Dafür müssen im vorliegenden Fall folgende Bedingungen gegeben sein:
a) MH gibt noch zwei Stiche ab (daraus folgt unmittelbar, dass sie kein As halten darf und somit HH beide verbleibenden Asse hat),
b) MH muss selbst Augen zugeben, denn zwei Asse von HH und die beiden höchsten Karten von VH – Pikzehn und –könig – ergeben zusammen mit dem Karostich nur 56 Augen; also muss MH mindestens 4 Augen führen. Dafür wiederum kommen nicht viele Kombinationen in Frage: MH hat entweder
1.) Herzzehn und –dame oder Lusche (die Kombinationen Herzzehn und –könig sowie Herzkönig und –dame bei gedrückter Herzzehn scheiden wegen Bedingung a) aus, und falls der AS vor dem Drücken Herzkönig und -dame ohne Herzzehn hielt, hätte er wohl mindestens den König gedrückt).
2.) Herzkönig + eine Herz-oder Pikkarte
Da es noch maximal zwei Stiche gibt und von VH – wie oben gezeigt – Pikzehn und –könig nach Hause müssen, kommen auch nur diese beiden Karten als Anspiel zum 5. Stich in Frage. Pikzehn scheidet allerdings aus, weil diese vom AS gestochen wird, falls er zwei Herzkarten hält. Bleibt nur noch Pikkönig, der ja darüber hinaus ganz gut aussieht – egal ob MH Pik bedienen muss oder Herzlusche abwirft, in beiden Fällen übernimmt HH mit dem As und zieht Herzas nach (auch HH muss inzwischen wissen, dass der AS nur noch einen Stich abgibt; hätte VH noch eine Karokarte, hätte sie diese sehr wahrscheinlich zum 5. Stich aufgespielt). Auf Herzas fallen dann noch Pikzehn und Herzkönig oder –zehn - also insgesamt mindestens 60 für die GS.
Doch halt – wenn der AS genau Herzkönig und Lusche hält UND die Gegneraugen mitzählt, so weiß er, dass er nur Pikkönig zu stechen braucht, weil er die anderen beiden Könige selbst hält und der dritte im Skat liegt! Somit bekommen die Gegner in zwei Stichen maximal Herzas, Pikas, Pikzehn und eine Dame, macht 59! In diesem Fall wäre also für die GS nichts mehr zu machen.
Die restlichen Stiche ergeben sich aus dem bereits Gesagten – sticht der AS im 5. Stich ein, gibt er im 9. und 10. Stich noch Herzkönig und –acht ab und gewinnt; wirft er ab, verliert er nach dem folgenden Stich mit 60 Augen.
Zusammenfassung: MH eröffnet durch einen Drückfehler (Herzzehn statt Herzacht, wodurch drei Verluststiche möglich werden - Einstich des Karobuben nicht mitgezählt) den GS überhaupt erst die Möglichkeit zum Spielgewinn. VH steht im fünften Stich vor der Frage, wie am besten fortzusetzen ist, und entscheidet sich nach Erwägung der theoretisch möglichen Restverteilungen für 5. Pikkönig, wohlwissend, dass sie damit den Schneider riskiert (für Interessierte: welche Anspielkarte zum 5. Stich verhindert am wahrscheinlichsten den Schneider?). MH verliert nun das Spiel, wenn sie abwirft und wenn das Spiel überhaupt theoretisch zu knacken ist (siehe obige Bedingungen), kann jedoch durch Einstich den Spielgewinn erzwingen. Allerdings erscheint es unwahrscheinlich, dass MH zunächst einen derartigen Drückfehler begeht und dann im Verlauf des Spiels so exakt die restlichen Karten berechnet, dass sie die richtige Antwort findet.
In der Hoffnung auf viel konstruktives Feedback und Fortführung der neuen Reihe:
Flo.