Langer Weg, kurze Farbe? Blank auf den AS in MH?

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Langer Weg, kurze Farbe? Blank auf den AS in MH?

Beitragvon Primrose » 18. Apr 2025 11:29

Über diese Fragen ist irl eine längere Diskussion entstanden, mich interessiert eure Meinung dazu.

Ist langer Weg, kurze Farbe bzw. kurzer Weg, lange Farbe ein guter Ratschlag?
Gibt es Situationen, wo blank auf den AS in MH angespielt legitim ist?

Es geht jeweils um den 1. Stich, maximal noch um dem 2., wenn AS VH war.
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Re: Langer Weg, kurze Farbe? Blank auf den AS in MH?

Beitragvon MonsieurL » 19. Apr 2025 04:51

Ein gewisser H.S. aus M. soll zu dem Thema mal gesagt haben, dass es genau zwei Gründe gebe, nicht blank auszuspielen. Der erste wäre, man hat keinen Trumpf, der zweite, man hat keine Blanke. :D

Ob er das wirklich gesagt hat, weiß ich nicht, aber wenn, hat er es sicher nicht 100%ig ernst gemeint. Dennoch ist die Existenz dieser Aussage ein deutlicher Beleg dafür, wie sehr sich der Blick auf das blank spielen in den letzten zwei Jahrzehnten verschoben hat. Unter guten Spielern war es lange verpönt und nur in Ausnahmesituationen anzuraten, während es heute fast schon (wieder) als Heiliger Gral des Gegenspiels gilt.

Ob die letzte Einschätzung zutreffend ist, mag jeder für sich entscheiden. Die erste ist auf jeden Fall kompletter Blödsinn. Ich habe meine eigene Gegenspielstrategie nach anfänglicher Skepsis überaus deutlich in Richtung Blank weiterentwickelt. Und das auch gegen manch gängigen Lehrsatz. So antwortete erst neulich am Spieltag ein Gegner auf die Frage seines Partners, warum er nicht blank ausgespielt habe, er habe sich mit vier Trumpf nicht selbst auf Schuss setzen wollen. Ich war AS und sehr dankbar, denn hätte er geblänkelt, hätte ich verloren. Ich spiele auch mit vier Trumpf gerne blank aus, allerdings nur dann, wenn ich eine vernünftige Abwurfoption habe.

Ähnlich halte ich es mit dem Blänkeln auf den AS in MH. Es ist nicht meine erste Option, aber unbedingt eine akzeptable Möglichkeit. Das Problem solcher pauschaler Fragen ist aber, dass sie das restliche Blatt und die Reizung nicht berücksichtigen. Beides ist natürlich essentiell für die Entscheidung, welches die wohl beste Ausspielkarte ist. Ob blank für mich in Frage kommt, kann ich dabei nicht mal an der Anzahl der eigenen Trümpfe festmachen (außer ich habe fünf, dann geht blank fast immer).
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Re: Langer Weg, kurze Farbe? Blank auf den AS in MH?

Beitragvon Skatfuchs » 19. Apr 2025 10:46

Hallo,
wie es Monsieur schon sagte, so hat sich das Blankanspiel in den letzten Jahren grundlegend in den Ansichten der Skatfreunde geändert, vom früher verpönten bis zum heutigen bevorzugtem.
Beides ist jedoch genau so unsinnig, wie manch andere "Skatweisheiten".
Ich habe das mal genauer anhand der 200 Mio Spiele untersucht und stellte folgende Abhängigkeiten fest:
1. eigene Trumpfstärke
2. Position
3. mögliche Reizfarbe des MS
4. Karte (ist es ein Ass, eine Zehn, ein Bild oder eine Lusche)
5. gibt es eine andere vorteilhaftere Anspielkarte und -farbe
6. Soll man da besser das Volle (Ass) oder unter dem Ass anspielen

Daraus entstehen bei mir 312 Anspielvarianten der GS.

Ich persönlich bevorzuge ein Blankanspiel zu MH eigentlich nur, wenn ich kurz Trumpf führe und diesen im Rückspiel verstechen möchte; aber auch dies in Abhängigkeit der oben genannten anderen Faktoren.
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Re: Langer Weg, kurze Farbe? Blank auf den AS in MH?

Beitragvon Skatfuchs » 21. Apr 2025 15:37

Hallo,

damit das von mir oben gesagte nicht so imaginär bleibt, so zeigt die folgende Übersicht mal bei wenigstens 4 eigenen Trümpfen, einer Zehn der Farbgruppe, aber kein Ass und keine Info aus der Reizfarbe meines MS folgendes beim Anspiel zum AS in MH:

Pos Farblänge Ass 10 Spiele %Sieg-GS
2 1 0 1 85616 29,35%
2 2 0 1 214140 37,82%
2 3 0 1 920048 42,99%
2 4 0 1 197927 49,62%

Eine blanke 10 gespielt zum AS in MH bringt im Schnitt nur 29,4% Sieg für die GS. Spielt man jedoch von einer Dreierlänge mit 10 tief an, so erhält man schon 43% Siegchance und von einer Viererlänge sogar 49,6%; also über 20% mehr Gewinnwahrscheinlichkeit aufgrund des besseren Anspieles.
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Re: Langer Weg, kurze Farbe? Blank auf den AS in MH?

Beitragvon MonsieurL » 22. Apr 2025 03:08

@ Skatfuchs

Wie manch anderer hier hast du ja einen sehr stark von der Mathematik abgeleiteten Ansatz, dich der Skatspieltheorie zu nähern. Mal davon abgesehen, dass ich 2/3 davon nicht verstehe (insbesondere deine ganzen Tabellen) habe ich dagegen auch gar nichts einzuwenden. Im Gegenteil, ich freue mich, wenn du - wie sehr oft geschehen - meine Vermutungen statistisch untermauerst.

Es ist für mich auch keine Frage, dass man mit Hilfe der Mathematik und der Statistik zu den letzendlich richtigen Lösungen kommt. Nur, am Skattisch habe ich leider keinen Quantencomputer (oder wie diese Dinger auch heißen mögen) neben mir und dürfte ihn auch gar nicht benutzen. Dazu kommt, dass viele Rechenprozesse beim Skat sehr viel komplexer sind als z.B. beim Schach, weshalb selbst extrem leistungsstarke Rechner unendlich viel Zeit benötigen würden, um dem von seinen Fragen gepeinigten Skatspieler richtige Antworten zu präsentieren.

Dazu kommt, dass die Mathematik einen sehr wichtigen Teil insbesondere des Alleinspiels eben nicht abbilden kann. Und das ist der Bluff. Das beginnt schon mit dem banalsten Trick des Skatsports, dem Halten einer blanken 10 und geht bis hin zu dem Klassiker, dass man von zwei wertlosen Doppelfarben jeweils eine wegdrückt. Schau dir mal ein paar Videos von Daniel Schäfer an. Bei denen kann man den Eindruck gewinnen, das sei seine absolute Lieblingsdrückvariante. Mathematisch betrachtet sind solche Züge natürlich Unsinn, spielpraktisch aber ganz und gar nicht.

Mag sein, dass eine selbstlernende KI hier Fortschritte bringt. Ich glaube aber, dass ein bauernschlauer Skatspieler auch die KI jederzeit ausbremsen kann. Zumindest wenn er über genug Erfahrung verfügt und ein grundsätzliches Verständnis von mathematischen Prozessen und Wahrscheinlichkeiten hat (also ein gesundes Basiswissen). Einfach mal ein paar "unlogische" Züge einbauen und von dem einen oder anderen Schema abweichen, und schon sollte eine KI große Schwierigkeiten haben, den Spielertyp zu analysieren. Es hat schon seine Gründe, warum unter den Skatmeistern nur sehr wenige Professoren oder sonstige besonders gebildete Menschen sind.

Soviel zum Generellen von meiner Seite. Nun zu dem Konkreten, was du in den letzten beiden Beiträgen geschrieben hast. Zunächst hast du gesagt, dass du "eigentlich" nur mit kurzen Trümpfen das Blankspiel auf MH bevorzugst. Was heißt denn dieses "eigentlich"? Dass du es manchmal eben doch anders machst? Oder war das nur ein Füllwort, was man eben hin und wieder benutzt? Wäre es ersteres, könnte ich durchaus mitgehen, denn im Prinzip ist der Ansatz, den Trumpfschwachen zum Stechen zu bringen, selbstverständlich richtig.

Gleiches gilt für langer Weg, kurze Farbe und umgekehrt. Dass diese Aussage im Prinzip richtig ist, wird wohl niemand ernsthaft in Abrede stellen. Das Problem ist nur, dass jeder Grundsatz eben auch seine Ausnahmen hat. Die Frage dabei ist nicht, ob das so ist, sondern nur, mit welchen Karten wir diese Abweichung vom Regelvorgang für angemessen halten.

Du schreibst, dass eine blanke 10 zum AS in MH bei 4 oder mehr eigenen Trümpfen nur selten Erfolg bringt. Und dass ein Ausspiel von einer 10 zu dritt oder gar zu viert sehr viel stärker ist. Meine Frage ist, was du damit sagen willst? Es wird ja wohl kaum sein, dass die blanke 10 seltener auf dem Stapel der Gegenpartei landet, denn das ist eine Binsenweisheit. Aber eine blanke 10 kann man - es sei denn man hat noch eine Blanke - nun mal nicht abwerfen. Und wenn man viele Trümpfe hat, kann man sie auch nicht schmieren. Also was gewinnt man, wenn man sie nicht ausspielt? Im besten Falle noch ein Tempo, wenn die längste Farbe den AS auf Schuss setzt.

Wobei ich hinter diesen "Tempogewinn" noch ein Fragezeichen setzen muss, weil er gar nicht so selten genau das ist, was der AS zum Siegen braucht. Wie oft haben wir alle schon erlebt, dass wir trumpfstark waren, der Partner aber keinesfalls schwach. Erlauben wir dem AS jetzt einen Abstich und müssen ihm anschließend noch eine blanke 10 zugeben, verbietet sich jede Spekulation über den Sieger dieses Spiels.

Habe ich 4 oder auch 3 starke Trümpfe und eine blanke 10 und eine 10 zu dritt, bevorzuge ich am Anfang fast immer die Blanke. Sie ist eindeutig und klärt dadurch ungeheuer viel. Hat der Partner das Ass, kann sie leicht zu einem Sudden Death des AS führen. Hat er wenigstens den K zu dritt, kann sie das Spiel u.U. immer noch gefährden. Hat er weder A noch K, gewinnt der AS meist sowieso.

Habe ich sogar 5 Trümpfe, ist ein Blankausspiel ohnehin Standard. Das gilt erst recht, wenn ich eine nicht blanke Assfarbe führe. Wie oft habe ich erlebt, dass Spieler sich jetzt dieses ausgespielte Ass abstechen ließen und dem AS so eine absolute Gurke gegen eine schlechte Verteilung schenkten. Selbst bei einem Ass zu dritt mit zwei Blanken habe ich schon Spieler das Ass ausspielen sehen. Die Begründung war dann natürlich, dass man als Trumpfstarker doch seine Vollen anbieten muss. Bei diesen Spielern passt dann ein auch hier im Forum schon in der Fußzeile eines humorigen Pinnies gelesener Satz: "Manchmal verliert man und manchmal gewinnen die Anderen."
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Re: Langer Weg, kurze Farbe? Blank auf den AS in MH?

Beitragvon Skatfuchs » 22. Apr 2025 11:49

Hallo,

wir sind uns aber doch sicherlich einig darüber, dass eine Pauschalierung des Anspielverhaltens, wie auch von dir genannt zum Blankanspiel, wenig Aussicht auf Erfolg bringt.
Das Anspiel ist sehr bedeutend für den Lauf des Spieles und ist viel komplexer.
Die Einflussfaktoren hatte ich oben genannt; wobei man dafür auch keinen Quantencomputer braucht, da reicht schon ein Handy oder auch der gesunde Menschenverstand mit viel Spielerfahrung.
Ich hatte das mal vereinfacht am Beispiel einer Zehn im Anspiel mit Zahlen untermauert.
Genauso ist es beim Langanspiel zum AS in MH- da liegen Welten dazwischen!
Auf eine Tabelle verzichte ich da mal, weil die wohl zu unübersichtlich ist: nenne aber doch mal paar Zahlen dazu:
1. Das schlechteste Langanspiel einer Vierer- oder Fünferlänge zum AS in MH ist wohl das ohne Ass und Zehn dabei. Bis zu 3 eigenen Trümpfen erreicht man damit nur ca. 15% Sieg für die GS. Erst ab 4 eigenen Trümpfen wird das deutlich besser.
2. Hat man dagegen ein Ass dabei, so empfiehlt sich bei wenig Trümpfen ein uAss-Anspiel, was schon mit 27% zum Sieg der GS führt.
3. Das beste Anspiel ist übrigens bei wenigstens 4 Trümpfen auf der Hand und einer 5er-Länge auch ein uAss-Anspiel, was dann schon im Mittel zu 59% zum Sieg der GS führt.

Übrigens: Ich hatte bei meiner Aussage zum Blankanspiel zu MH noch einen Relativsatz dazu gefügt, der aussagte, wenn es kein besseres Anspiel zu MH gibt.
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