Hurra, das ist mein 1000. Beitrag. Krieg ich jetzt ne silberne Ehrennadel, nen geflochtenen Lorbeerkranz oder ne Aufnahme in die Hall of Fame? Nein? Och schade.
Na gut, wenn ihr mich nicht belohnt, belohne ich mich halt selbst und mache das, was eigentlich meine Berufung war, aber weil ich mich zu dusselig angestellt habe, nie mein Beruf wurde. Ich schreibe über Musik. Das habt ihr nun davon.
Vor ein paar Wochen habe ich durch meine Lieblings-Literatursendung (ihr lest richtig) Druckfrisch mit Dennis Scheck eine für mich neue Band kennengelernt. Dennis Scheck hat Segelohren, die ihn durch kaum eine Tür passen lassen und musste daher ein sehr kluger Mann werden (schließlich wollte er auch mal ein Mädel abbekommen
). Als kluger Mann achtet man darauf, nur mit guten Leuten zusammenzuarbeiten. Seinen Redakteur hat er deshalb mit Bedacht ausgesucht und ich würde mich nicht wundern, wenn eines seiner entscheidenen Kriterien für die Auswahl dessen wahrhaft exklusiver Musikgeschmack war. Druckfrisch ist daher nicht nur für Leseratten eine wahre Fundgrube.
Für die vorletzte Sendung besuchte Dennis Scheck Salman Rushdie in New York und der Musiktitel, der zum Abschied gespielt wurde, war von The Kills. Nie gehört bis dahin, aber schon der kleine Ausschnitt in der Sendung ließ mein Zwerchfell erzittern und erzeugte in mir nervöse Unruhe. Ich konnte kaum das Ende der Sendung abwarten.
Die Nacht sollte lang werden. The Kills ist eine britisch-amerikanische Band bestehend aus VV alias Alison Mosshart und dem Sänger und Gitarristen Hotel alias Jamie Hince. Nachdem die beiden zunächst über den großen Teich ihre musikalischen Ideen austauschten, zog Alison alsbald von Florida nach London und The Kills waren geboren. Bereits das Debutalbum von 2002 zog beim renommierten New Musical Express euphorische Kritiken nach sich. Es waren nicht die letzten.
Wenn es jemals eine Band gab, für die der Begriff Garagensound passt, sind es The Kills. Eine schräge und hypernervöse Gitarre, scheppernde Drums und über allem der treibende Gesang der begnadeten Alison, der einen nie wieder an Morgen denken lässt. Von dem, was man gemeinhin als Ohrwurm bezeichnet, sind The Kills meilenweit entfernt. Aber ihr sogenannter Punk Blues kriecht langsam und ätzend ins Gehirn und ergreift Besitz von jeder einzelnen Zelle, um nie wieder von ihr zu verschwinden.
Nebenbei hören? Geht gar nicht. Aber das ist egal, da eine Infizierung jeden Gedanken an Banalitäten wie schlafen, essen, arbeiten unverzüglich verschluckt und aus den Tiefen der Gehirnwindungen auf direktem Weg in die entlegensten Körperteile verbannt. Sucht ist eine bei weitem nicht hinreichende Beschreibung für das, was The Kills in sensiblen und somit angreifbaren Gemütern hervorrufen.
Deshalb seien alle, die auf ihrem Lebensweg die gerade Strecke als nicht zielführend ansehen, vor dem Abspielen der Hörprobe gewarnt. Ich kann nicht garantieren, dass eure Karriere und euer harmonisches Familienleben nicht im Treibsand versickern und ihr den Rest eurer Tage im Zustand der getriebenen Ekstase verbringt.
https://www.youtube.com/watch?v=zMcu_g8eWgYIch habe leider diesen Ratschlag nicht befolgt und meiner Mutter somit den letzten Rest Hoffnung genommen, dass ihr "Rabe" am Ende doch noch ein geachtetes Mitglied der Gesellschaft wird. Doch damit nicht genug, habe ich mich suchtbeflissen auf die Suche nach vergleichbarem Stoff aus diesem Jahrtausend gemacht. Und siehe da, ich wurde in einem Artikel fündig. In diesem stand geschrieben, dass The Kills statt mit den angesagten Vines lieber mit Bands tourten, die sie selbst mögen: Primal Scream und The Yeah Yeah Yeahs. Erstere kannte ich schon und sind nicht so mein Ding. Aber von den Yeah Yeah Yeahs hatte ich ebenfalls noch nie gehört.
Das hat sich grundlegend geändert. Bei den Kills ließen mich die unverkennbaren Anklänge an Velvet Underground, meiner Kult-Band in frühen Erwachsenenjahren sofort auf den Zug aufspringen. Diese Klänge verfolgen mich seit Jahrzehnten. Nicht so bei den Yeah Yeah Yeahs, die irgendwie schon ähnlich sind, aber dennoch ganz andere Musik machen. Vergleichbar sind die treibenden Beats und auch die Sängerin Karen O hat wie Alison Mosshart eine geradezu unglaubliche Präsenz. Aber die schrägen Gitarren weichen einer wesentlich vielseitigeren Instrumentierung und vorallem der extrem reduzierte Sound der Kills ist bei den Yeah Yeah Yeahs geradezu in sein Gegenteil verkehrt. Das ist eigentlich gar nicht so meine Welt, so dass ich mich erst mal an die Musik gewöhnen musste.
Das aber brauchte nicht lange. Denn the Yeah Yeah Yeahs sind Energie pur. Ihre Musik ist wie der Versuch, mit Schlittschuhen den Cerro Torre zu besteigen. Nur dass sie wunderlicher Weise nie abstürzen. Karen O hat wie eine junge Mutter stets alles im Griff. Keine musikalische Wendung kann sie erschrecken, kein noch so abstruser Melodiefetzen bringt sie aus der Fassung. Mit ihrem unbändigen Willen zähmt sie die wildesten Instrumente und zwingt sie unter ihre alles dominierende schaurig schöne Stimme. The Yeah Yeah Yeahs sind wie ein nie versiegender Jungbrunnen. Sie bringen das Wasser des ewigen Lebens und das können weder die Hohlköpfe vom IS noch die Dumpfbacken, die diese erst geschaffen haben und jetzt mit aller Gewalt ausrotten wollen, auslöschen.
https://www.youtube.com/watch?v=mdsVCF5NOKEBeste Grüße vom Monsieur im neuen Kleid