The Winner takes it all
Verfasst: 11. Sep 2023 06:38
Als ich dreizehn Jahre alt war hörte ich von einem ungewöhnlichen Angebot. In der Turnhalle um die Ecke bot ein Spieler der ersten Herrenmannschaft der BG Göttingen ein Basketballtraining für interessierte Jugendliche an. Ich wurde neugierig und ging einfach mal hin. Es machte Riesenspaß, also stellte ich meine Fußballschuhe in die Ecke und frönte fortan mit wachseder Begeisterung der Korbjagd. Mein Talent war überschaubar. Insbesondere bei der Athletik waren meine Mängel mehr als offenkundig und meine bis heute durchgehaltene strikte Weigerung, eine Muckibude von innen zu betrachten, ließen jede Besserung und ein etwaiges Streben nach höheren Zielen von vornherein als zum Scheitern verurteilt erscheinen.
Dennoch durchlief ich sämtliche Jugendmannschaften und blieb auch als Erwachsener am orangefarbenen Ball. Selbst nach meinem Umzug nach Berlin, der mein Leben nahezu komplett umkrempelte, blieb der Basketball die einzig große Konstante. Ein Dasein ohne diesen Sport war zwar möglich, erschien mir aber komplett sinnlos. Mit 27 Jahren kam dann der große Schock. Eine chronische Sehnenscheidentzündung im linken Fuß zwang mich zum Aufhören. Mein behandelnder Arzt, den ich flehentlich nach Möglichkeiten befragte, wie ich doch weitermachen könnte, sagte nur lapidar: Wenn der liebe Gott gewollt hätte, dass der Mensch ständig in der Gegend rumhüpft, hätte er ihn zum Känguruh gemacht. Netter Kerl.
Für ein paar Monate suchte ich noch nach einer alternativen Sportart, fand aber nichts wirklich befriedigendes und landete so über ein paar komische Zufälle beim Skat. Der Liebe zum Basketball tat die neue Leidenschaft jedoch keinen Abbruch. Ich bin bis heute ein glühender Anhänger meines alten Heimatvereins und natürlich auch der Deutschen Nationalmannschaft.
Und die hat in den letzten 14 Tagen unfassbares geleistet. Deutschland ist tatsächlich Basketball Weltmeister. Zwickt mich doch mal bitte, ich kann es kaum glauben. Zu meiner aktiven Zeit war Deutschland noch ein Entwicklungsland in diesem rasanten Spiel. Dann kam Dirk Nowitzki und sorgte für einen riesigen Aufschwung, aber jeder dachte, wenn dieser Ausnahmesportler abtritt, der mehr oder weniger im Alleingang für einige beachtliche Erfolge sorgte, wäre die Herrlichkeit schnell wieder vorbei.
Falsch gedacht. Wie diese Mannschaft sich über die letzten Jahre entwickelt hat, hätten wohl selbst die kühnsten Optimisten nicht für möglich gehalten. Klar konnte man schon an der Tatsache, dass mittlerweile sechs Deutsche in der NBA spielen, einen gewissen Aufschwung erkennen. Aber außer Dennis Schröder und dem überaus talentierten Franz Wagner spielen sie dort nur Nebenrollen. Und selbst die beiden sind beileibe keine Superstars in den USA. Wagner könnte allerdings einer werden, wenn er von größeren Verletzungen verschont bleibt.
Dazu kam noch, dass wohl kaum jemand geglaubt hat, dass der zwar pfeilschnelle, aber oft wenig mannschaftsdienlich spielende und zu Eskapaden neigende Schröder zum perfekten Teamplayer mutieren könnte. Aber genau das ist passiert. Durch diesen erstaunlichen und bewundernswerten Reifeprozess wurde er zum perfekten Leader dieser Mannschaft. Und diese Mannschaft ist so zu einer unglaublich verschworenen Gemeinschaft zusammengewachsen. Eine Mannschaft, die zu jeder Phase als wahres Team aufgetreten ist. In der jeder dem anderen gegönnt hat, zu glänzen, in der Missgunst keine Rolle spielte, in der jeder bereit und willens war, Fehler des anderen auszubügeln oder in die Bresche zu springen, wenn einer mal einen schlechten Tag hatte.
Toll zu sehen, dass es das in der heutigen Zeit noch gibt. Denn das ist alles andere als selbstverständlich. In der Mannschaft spielen vier Spieler in der NBA. Die verdienen dort ein Vielfaches von dem, was der Rest der Mannschaft in Europa als Gehalt überwiesen bekommt. Hat das zu Neidereien innerhalb der Mannschaft geführt, hat es die Spieler einander entfremdet? Nicht ein bisschen. Als Schröder im Viertelfinale gegen Lettland ein Gruselspiel ablieferte und fast dafür sorgte, dass Deutschland ausschied, gab es kein böses Wort, kein Hängenlassen oder sich dem Schicksal ergeben. Im Gegenteil, die anderen haben es aufgefangen und eine Schippe draufgelegt. Wann hat man das z.B. letztmals bei den deutschen Fußballern gesehen?
Apropos Fußballer. 10 Minuten vor dem Beginn des Finales hat der DFB den Bundestrainer entlassen. Das hatte schon eine gewisse Symbolkraft. Denn so erfolgreich wie die Basketballer sind, so erfolglos sind die Fußballer. Und das, obwohl sie in den besten Vereinen Europas spielen, also allemal die individuelle Qualität haben sollten, im Weltfußball ein Wörtchen mitzusprechen. Tun sie aber schon seit vielen Jahren nicht mehr. Zunächst war daran der einstige Weltmeistertrainer Jogi Löw schuld. Nun also Hansi Flick, der noch kurz vor seiner Amtsübernahme mit Bayern München alles gewonnen hat, was man gewinnen kann.
Die haben dann also alles vergessen, was sie als Trainer einst auszeichnete. Oder etwa nicht? Okay, Herr Havertz hat ja noch einen anderen Grund für die unterirdischen Leistungen, die er und seine Kollegen seit geraumer Zeit anbieten, ausgemacht. Die fehlende Unterstützung der Fans. Der mangelnde Rückhalt, den der deutsche Fußball in der Bevölkerung hat. Ja klar, ich klatsche dem Theaterschauspieler, der seinen Text vergessen hat, auch demonstrativ Beifall, um sein Selbstbewusstsein aufzubauen und ihn zu Höchstleistungen anzuspornen.
Was sind denn das für Einstellungen? Und was für Weicheier werden eigentlich für die Deutsche Nationalmannschaft nominiert? Die bei jedem kleinen Windhauch die Schultern hängenlassen, weiche Knie bekommen und zurück zu Mami in den Bauch wollen? Liebe Leute, was ihr da betreibt, nennt man Leistungssport. Und für die Nationalmannschaft sollte die Elite dieser Leistungssportler ausgewählt werden. Spieler, die auch in der Lage sind, Widrigkeiten zu trotzen und Hindernisse zu überwinden. Spieler, die neben fußballerischen Fähigkeiten auch mentale Stärke mitbringen. Wenn ihr euch damit überfordert fühlt, dann habt ihr in der Nationalmannschaft nichts, aber auch gar nichts verloren.
Guckt euch die deutschen Basketballer an. Die zeigen euch, wie es geht. Die verlieren auch mal ein Spiel und haben auch mal einen schlechten Tag. Aber die finden dann nicht eine dumme Ausrede nach der nächsten. Und werden trotzdem mit Ausnahme der NBA-Spieler weitaus schlechter bezahlt als ihre Kollegen beim Fußball. Ich hoffe ja schon seit Jahren, dass diese mangelhaften Darbietungen sich endlich auch mal monetär niederschlagen. Leider vergeblich. Das Gegenteil ist der Fall. Die Geduld der Fans ist offenkundig unerschütterlich. Sie halten mit ihrer Nibelungentreue eine Sportart hoch, in der hierzulande schon lange nicht mehr mit Leistungen überzeugt wird.
Dennoch durchlief ich sämtliche Jugendmannschaften und blieb auch als Erwachsener am orangefarbenen Ball. Selbst nach meinem Umzug nach Berlin, der mein Leben nahezu komplett umkrempelte, blieb der Basketball die einzig große Konstante. Ein Dasein ohne diesen Sport war zwar möglich, erschien mir aber komplett sinnlos. Mit 27 Jahren kam dann der große Schock. Eine chronische Sehnenscheidentzündung im linken Fuß zwang mich zum Aufhören. Mein behandelnder Arzt, den ich flehentlich nach Möglichkeiten befragte, wie ich doch weitermachen könnte, sagte nur lapidar: Wenn der liebe Gott gewollt hätte, dass der Mensch ständig in der Gegend rumhüpft, hätte er ihn zum Känguruh gemacht. Netter Kerl.
Für ein paar Monate suchte ich noch nach einer alternativen Sportart, fand aber nichts wirklich befriedigendes und landete so über ein paar komische Zufälle beim Skat. Der Liebe zum Basketball tat die neue Leidenschaft jedoch keinen Abbruch. Ich bin bis heute ein glühender Anhänger meines alten Heimatvereins und natürlich auch der Deutschen Nationalmannschaft.
Und die hat in den letzten 14 Tagen unfassbares geleistet. Deutschland ist tatsächlich Basketball Weltmeister. Zwickt mich doch mal bitte, ich kann es kaum glauben. Zu meiner aktiven Zeit war Deutschland noch ein Entwicklungsland in diesem rasanten Spiel. Dann kam Dirk Nowitzki und sorgte für einen riesigen Aufschwung, aber jeder dachte, wenn dieser Ausnahmesportler abtritt, der mehr oder weniger im Alleingang für einige beachtliche Erfolge sorgte, wäre die Herrlichkeit schnell wieder vorbei.
Falsch gedacht. Wie diese Mannschaft sich über die letzten Jahre entwickelt hat, hätten wohl selbst die kühnsten Optimisten nicht für möglich gehalten. Klar konnte man schon an der Tatsache, dass mittlerweile sechs Deutsche in der NBA spielen, einen gewissen Aufschwung erkennen. Aber außer Dennis Schröder und dem überaus talentierten Franz Wagner spielen sie dort nur Nebenrollen. Und selbst die beiden sind beileibe keine Superstars in den USA. Wagner könnte allerdings einer werden, wenn er von größeren Verletzungen verschont bleibt.
Dazu kam noch, dass wohl kaum jemand geglaubt hat, dass der zwar pfeilschnelle, aber oft wenig mannschaftsdienlich spielende und zu Eskapaden neigende Schröder zum perfekten Teamplayer mutieren könnte. Aber genau das ist passiert. Durch diesen erstaunlichen und bewundernswerten Reifeprozess wurde er zum perfekten Leader dieser Mannschaft. Und diese Mannschaft ist so zu einer unglaublich verschworenen Gemeinschaft zusammengewachsen. Eine Mannschaft, die zu jeder Phase als wahres Team aufgetreten ist. In der jeder dem anderen gegönnt hat, zu glänzen, in der Missgunst keine Rolle spielte, in der jeder bereit und willens war, Fehler des anderen auszubügeln oder in die Bresche zu springen, wenn einer mal einen schlechten Tag hatte.
Toll zu sehen, dass es das in der heutigen Zeit noch gibt. Denn das ist alles andere als selbstverständlich. In der Mannschaft spielen vier Spieler in der NBA. Die verdienen dort ein Vielfaches von dem, was der Rest der Mannschaft in Europa als Gehalt überwiesen bekommt. Hat das zu Neidereien innerhalb der Mannschaft geführt, hat es die Spieler einander entfremdet? Nicht ein bisschen. Als Schröder im Viertelfinale gegen Lettland ein Gruselspiel ablieferte und fast dafür sorgte, dass Deutschland ausschied, gab es kein böses Wort, kein Hängenlassen oder sich dem Schicksal ergeben. Im Gegenteil, die anderen haben es aufgefangen und eine Schippe draufgelegt. Wann hat man das z.B. letztmals bei den deutschen Fußballern gesehen?
Apropos Fußballer. 10 Minuten vor dem Beginn des Finales hat der DFB den Bundestrainer entlassen. Das hatte schon eine gewisse Symbolkraft. Denn so erfolgreich wie die Basketballer sind, so erfolglos sind die Fußballer. Und das, obwohl sie in den besten Vereinen Europas spielen, also allemal die individuelle Qualität haben sollten, im Weltfußball ein Wörtchen mitzusprechen. Tun sie aber schon seit vielen Jahren nicht mehr. Zunächst war daran der einstige Weltmeistertrainer Jogi Löw schuld. Nun also Hansi Flick, der noch kurz vor seiner Amtsübernahme mit Bayern München alles gewonnen hat, was man gewinnen kann.
Die haben dann also alles vergessen, was sie als Trainer einst auszeichnete. Oder etwa nicht? Okay, Herr Havertz hat ja noch einen anderen Grund für die unterirdischen Leistungen, die er und seine Kollegen seit geraumer Zeit anbieten, ausgemacht. Die fehlende Unterstützung der Fans. Der mangelnde Rückhalt, den der deutsche Fußball in der Bevölkerung hat. Ja klar, ich klatsche dem Theaterschauspieler, der seinen Text vergessen hat, auch demonstrativ Beifall, um sein Selbstbewusstsein aufzubauen und ihn zu Höchstleistungen anzuspornen.
Was sind denn das für Einstellungen? Und was für Weicheier werden eigentlich für die Deutsche Nationalmannschaft nominiert? Die bei jedem kleinen Windhauch die Schultern hängenlassen, weiche Knie bekommen und zurück zu Mami in den Bauch wollen? Liebe Leute, was ihr da betreibt, nennt man Leistungssport. Und für die Nationalmannschaft sollte die Elite dieser Leistungssportler ausgewählt werden. Spieler, die auch in der Lage sind, Widrigkeiten zu trotzen und Hindernisse zu überwinden. Spieler, die neben fußballerischen Fähigkeiten auch mentale Stärke mitbringen. Wenn ihr euch damit überfordert fühlt, dann habt ihr in der Nationalmannschaft nichts, aber auch gar nichts verloren.
Guckt euch die deutschen Basketballer an. Die zeigen euch, wie es geht. Die verlieren auch mal ein Spiel und haben auch mal einen schlechten Tag. Aber die finden dann nicht eine dumme Ausrede nach der nächsten. Und werden trotzdem mit Ausnahme der NBA-Spieler weitaus schlechter bezahlt als ihre Kollegen beim Fußball. Ich hoffe ja schon seit Jahren, dass diese mangelhaften Darbietungen sich endlich auch mal monetär niederschlagen. Leider vergeblich. Das Gegenteil ist der Fall. Die Geduld der Fans ist offenkundig unerschütterlich. Sie halten mit ihrer Nibelungentreue eine Sportart hoch, in der hierzulande schon lange nicht mehr mit Leistungen überzeugt wird.