Die STASI-Ossis

Alles, was nicht in eine andere Area passt.

Die STASI-Ossis

Beitragvon grunzquiek » 31. Aug 2023 09:14

Tag! :)

Ich habe beim Frühstück ein paar Minuten einer Dokumentation über die Stasi gesehen.
Wenn ich im Osten aufgewachsen wäre, wäre ich natürlich nie bei denen gewesen. Das war erstmal mein Gedanke, weil ich in meinen ersten Lebensjahrzehnten eine ausgeprägte Renitenz gegenüber Lehrpersonal und teilweise auch gegenüber Vorgesetzten gepflegt habe.

Aber kann ich mir da wirklich so sicher sein? Gegenüber welchen Lehrpersonen und Vorgesetzten war ich nicht renitent, sondern pflegeleicht und anpassungsbereit? Gegenüber Leuten, die mir persönlich symphatisch waren. Wer war mir symphatisch? Waren das Leute, die immer meiner Meinung waren? Nein, es waren Leute, die nett gelächelt haben, die jovial waren, mich unterstützt haben oder so getan haben als ob, Leute, mit denen ich mich über alles mögliche unterhalten konnte, und ähnliches mehr. Die Stasi-Leute waren darin geschult, so zu wirken!

Die Stasi-Mitarbeiter wurden, nach allem was ich weiß, wohl in erster Linie schon sehr früh, im Schulalter, angeworben, in einem Alter, in dem man noch besonders empfänglich für Sympathiebekundungen ist, ohne das weiter zu hinterfragen.

Hätte ich mich vielleicht doch davon einwickeln lassen? Ich weiß es nicht und werde es auch nie wissen.

Nach der Wende wurden diese Leute geächtet und haben, wenn sie nicht alte Verbindungen nutzen konnten, in der ehemaligen DDR kein Bein mehr auf den Boden bekommen. Mir hätte das also auch blühen können. Wenn man erstmal in so einem Verein drin ist und dann in einer "Blase" lebt, mit vielen netten Vergünstigungen, dann macht man sich vielleicht keine Gedanken mehr darüber, ob das, was man tut, hochmoralisch ist, diese Gedanken kann man verdrängen, weil es sich in der Blase so angenehm lebt, und man, vor allem in seiner Gedankenwelt, mehr und mehr abgeschottet vom normalen Volk lebt. Jeder Mensch möchte ein angenehmes Leben. Oder man kann tatsächlich glauben, dass das alles o.k. ist, weil es einem inklusive entsprechender Begründungen immer wieder vorgebetet wird. Steter Tropfen höhlt den Stein und den Verstand.

So ähnlich funktionieren auch gefährliche Sekten, die Mitglieder finden alles o.k. was da so abläuft, auch wenn es für Außenstehende nahezu unfassbar ist. Sind deshalb die Sektenmitglieder persönlich pauschal zu ächten? Sind die ehemaligen STASI-Mitglieder persönlich pauschal zu ächten? Auch wenn ihnen erst im Nachhinein klar (gemacht) wird, dass sie vielfach falsch gehandelt haben und vorher kein Unrechtsbewusstsein hatten? :gruebel: :nixweiss:

Tschüß!
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Re: Die STASI-Ossis

Beitragvon grunzquiek » 31. Aug 2023 11:54

So, darauf weiß ich jetzt auch schon eine Antwort:

Eine Pauschalverurteilung wird dem Einzelnen nicht gerecht, es ist aber zu überlegen, ob sie nicht notwendig ist, um abzuschrecken, damit einer Wiederholung vorgebeugt wird und um allgemein anerkannte staatliche Interessen wie das Grundgesetz zu schützen, wenn man diese Aspekte vorrangig behandeln will, weil man den Schutz der Allgemeinheit gegenüber dem Schutz der Einzelperson als höherrangig einstuft. Nicht zu fassen, wie mir ein paar Minuten Doku manchmal das Hirn malträtieren. :eek:

Ich danke für das Interesse! :D
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Re: Die STASI-Ossis

Beitragvon Pgallert » 6. Sep 2023 23:10

Eine Karriere bei der Stasi war vor allem eine Wette darauf, dass es die DDR noch sehr lange gibt. Im Nachhinein kann ich mir als Ossi das Grinsen nicht verkneifen, wissend, dass wenigstens ein paar Leute diese Wette verloren haben---die meisten Stasimitarbeiter haben es ja unerkannt bis in die Rente, und bisweilen in den Bundestag, geschafft.

Das mit dem Anwerben lief bei mir so: Mit 14 musste man sich entschieden haben, was man beruflich werden will. Das war keine freie Wahl, sondern es gab Kladden fuer jeden Stadtbezirk, mit der Anzahl an freien Lehrstellen, zusammen mit einer Einschaetzung, wofuer man geeignet waere.

Mir wurde angeboten, entweder Giessereiarbeiter. Da haette ich sogar ein berufsbegleitendes Abitur machen koennen. Habe ich abgelehnt, ich wog 60kg. Des weiteren Gaertner, das bin ich dann geworden. Und es war noch etwas Drittes, das ich vergessen habe.

Ich war gerade Vierter in der DDR-Programmiermeisterschaft geworden, und hatte mir schon was anderes vorgestellt. 14 Tage spaeter wurde ich vorgeladen, so hiess das damals. Es gaebe auch eine Computerausbildung, mit ein paar Bedingungen. Geheimnistraeger 1. Klasse (keine Auslandsreisen, kein Wort ueber den Beruf zu irgendjemandem), Ruestung, Arbeitsplatz drei Geschosse unter Tage. Stasi haben sie nicht gesagt, aber das waere bestimmt Teil des Pakets gewesen.

Ich hab's mit den Eltern diskutiert und am naechsten Tag abgelehnt. Von der Stasi hatte ich in der 8.Klasse noch keine klare Vorstellung, aber die Aussicht, nicht einmal nach Prag reisen zu koennen, hat den Ausschlag gegeben.
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