Nein, um Skat geht es hier beileibe nicht. Eigentlich auch nicht (vordergründig) um Fußball. Aber am Fußball kann man es ganz schön festmachen. Und außerdem dürfte die Zahl der Interessierten sprunghaft steigen, wenn es um die angeblich schönste Nebensache der Welt geht.
Nun ist sie also schon einige Wochen Geschichte, die erste Winter-WM in der Hitze Arabiens. Für unsere deutsche Nationalmannschaft endete sie wie die vorherige mit dem "desaströsen" Aus in der Vorrunde. Also hatte sich nichts zum Besseren gewendet. Die einst stolze Fußballnation lag und liegt am Boden. Aber hatte sich wirklich nichts im Vergleich zu Russland geändert?
Ich denke schon. Klar, die Abwehr, in den vergangenen Jahrzehnten stets das Prunkstück deutscher Auswahlmannschaften, war erneut nicht sattelfest. Das ist sie übrigens schon Jahre nicht mehr, wie die Ergebnisse im Vorfeld überdeutlich zeigten. Und den vielbeschworenen 9er, die Kante, die vorne alles einschweißt, haben wir - wie viele andere Mannschaften - auch schon lange nicht mehr. Aber während die Auftritte bei der WM in Russland wirklich blutleer und uninspiriert waren, habe ich in Quatar eine spielerisch überraschend gute Nationalmannschaft gesehen. Japan wurde in den ersten 70 Minuten teilweise an die Wand gespielt und gegen die hochtalentierten Spanier fand ich, dass die deutsche Mannschaft das mit Abstand beste Spiel seit vielen Jahren abgeliefert hat.
Aber in der Summe hat es eben nicht gereicht. Ein paar hanebüchene Abwehrfehler, eine katastrophale Chancenverwertung, ein bisschen Pech und fertig war das erneute Vorrundenaus. Die Reaktionen darauf waren genauso panisch, wie es zu erwarten war. Das erste Bauernopfer war schnell gefunden. Den neuen Bundestrainer, der kurz zuvor mit Bayern München noch alles gewonnen hatte, was man im Vereinsfußball gewinnen kann, wollte man nicht gleich in der Wüste lassen, also musste es Oliver Bierhoff sein. Schließlich konnten die Fußballer bei so einer verfehlten Quartierswahl weder Tore schießen noch welche verhindern. Ist doch logisch.
Die nächste Baustelle war auch direkt ausgemacht. In der Nachwuchsarbeit wird nun jeder Stein umgedreht und alles in Frage gestellt. Trainingsmethoden, taktische Schulung, personelle Besetzung, alles schlecht. Nur das meines Erachtens eigentliche Problem spricht kein Mensch an. Kein Journalist, kein Trainer und auch keiner der reichlich interviewten Ex-Nationalspieler, die teils unfassbaren Blödsinn von sich gegeben haben. Was habe ich mich gefreut, dass der sympathische Freiburger Trainer Christian Streich - ohnehin ein Freund klarer Worte - dies endlich mal in aller Deutlichkeit angeprangert hat.
Was aber ist das eigentliche Problem (zumindest in meiner Wahrnehmung)? Ich will euch nicht länger auf die Folter spannen. Hat sich mal jemand gefragt, warum die spärlich vorhandenen Talente in Deutschland zumeist Musiala, Moukoko, Bella-Kotchap oder Bynoe-Gittens und nicht mehr Müller, Meyer oder Schulze heißen? Ein sonntäglicher Spaziergang durch Berlin mit Blick auf diverse Fußballplätze bringt da durchaus erhellendes zu Tage. Geschätzt 70 % der sich dort am Ball vergnügenden jungen Leute sind - nur rein optisch beurteilt - nichtdeutscher Herkunft. Jagen deutsche Jugendliche dem Leder also lieber auf der Playstation nach? Ich vermag es nicht abschließend zu beurteilen. Dazu kenne ich zu wenig junge Leute.
Doch diese provokante These allein ist sicher etwas zu kurz gesprungen. Ich fürchte jedoch, es ist noch schlimmer. Fragt man heutzutage z.B. die wenigen verbliebenen Handwerker, was sie von dem Nachwuchs halten, wird man oft nur verdrehte Augen und ein Abwinken sehen. Mein Schwager, von Beruf Zahntechniker, hat mir Weihnachten eine passende Geschichte zu dem Thema erzählt. Sie haben dort einen Auszubildenden, der - ganz in der Tradition des langjährigen Betriebs - Freitags vor Feierabend den Müll wegfegen sollte. Seine Antwort war, dies stünde nicht in seinem Arbeitsvertrag. Erst als ihm mein Schwager zu verstehen gab, dass er auch nicht verpflichtet sei, dem jungen Mann dieses Handwerk in all seinen Facetten so beizubringen, dass er dadurch eine erfolgreiche Berufslaufbahn hinlegen könne, machte ihn das etwas nachdenklich und ließ ihn schließlich widerwillig zum Besen greifen. Von dem Satz "Lehrjahre sind keine Herrenjahre", den sein Opa meinem Schwager noch mit auf den Weg gegeben hatte, dürfte dieser junge Mann noch nie gehört haben.
Ist also die junge Generation faul und träge? Eine solche These könnte man von einem alten Sack wie mir durchaus vermuten. Schließlich ist das gegenseitige Generationen-Bashing beileibe nichts neues. Als ich noch jung war, hieß es von seiten der Alten auch schon, wir würden nix taugen und umgekehrt hatte der Satz "Trau keinem über 30" absolute Hochkonjunktur. Ich versuche jedoch stets, meine Vergangenheit mit all ihren Fehlern und Unzulänglichkeiten nicht zu vergessen und halte ohnehin nichts von verallgemeinerten Verunglimpfungen. Es gibt zweifelsfrei sehr viele großartige junge Menschen, die ich sehr bewundere für ihre Einstellung, Hilfsbereitschaft und Toleranz. Da hatte ich als junger Mensch nicht wenige Defizite.
Meine Kritik sollte also nicht als Abwatschen der jungen Generation missverstanden werden. Eher sogar als Ohrfeige an uns ältere. Denn wer sorgt denn mit bergeweise Geschenken unterm Weihnachtsbaum oder zum Geburtstag dafür, dass unsere Kinder den Wert von Dingen gar nicht mehr schätzen lernen können. Wie sollen sie lernen, dass man sich Dinge und Annehmlichkeiten hart erarbeiten muss, wenn ihre Eltern, Großeltern, Tanten und Onkels und sogar Freunde der Familie ihnen jeden Wunsch von den Lippen ablesen, ja sogar schon erfüllen, bevor sie überhaupt ahnen, dass sie ihn haben könnten. Gut gemeint ist leider nicht gleich gut gemacht.
Wir sind einfach als Gesellschaft satt und nachlässig geworden. Unser Jahrzehnte währender Wohlstand hat uns vergessen lassen, dass der liebe Gott vor das Vergnügen den Schweiß gesetzt hat. Und das wird uns über kurz oder lang auf die Füße fallen. Unsere Fußball-Nationalmannschaft ist dafür nur ein Sinnbild. Ohne die Musialas und Moukokos wäre sie schon kaum noch eine Erwähnung wert. Aber die wollen manche ja lieber wieder dahin schicken, wo sie herkamen. So kann man das Problem sicher auch angehen ...