@ grunzquiek
Das klingt ja alles sehr zustimmungsfähig, was du da geschrieben hast. Aber ein paar Anmerkungen und Fragen hätte ich schon noch dazu.
grunzquiek hat geschrieben:... Was Toleranz ist und wie sie gehandhabt werden soll, das dürfen nur die Toleranten bestimmen, wenn eine Spaltung der Gesellschaft verhindert werden soll!
Keine Sorge, ich hab die Ironie auch ohne deine spätere Klarstellung schon verstanden. Nur, wenn wir uns dem Thema mal ernsthaft nähern, was bedeutet denn das? Die Definition von Toleranz ist doch eigentlich sehr klar und einfach:
Toleranz, auch Duldsamkeit, ist allgemein ein Geltenlassen und Gewährenlassen anderer oder fremder Überzeugungen, Handlungsweisen und Sitten. (Wikipedia) Ergo ist ein Verhalten wie das des von dir kritisierten WDR-Rundfunkrats schon per Definition intolerant. Ihn kannst du also nicht meinen, wenn du von "den Toleranten" sprichst. Wen aber meinst du dann? So ganz deutlich Tacheles redest du ja leider nicht, wenn es um die Benennung des "Angeklagten" geht. Das muss man sich schon ein wenig zusammenreimen, was natürlich immer mit der Gefahr verbunden ist, wenn man dann Ross und Reiter nennt, von dir ein "Ätsch, den meinte ich gar nicht", zu hören.
Ich versuche es trotzdem mal. Es ist recht naheliegend, dass du damit auf die von dir so heiß geliebten Grünen anspielst, denen Toleranz und Weltoffenheit oft nachgesagt wird. Nur, von einem Grünen habe ich keine Meinungsäußerung in dieser Richtung (Fernsehverbot) gehört. Mag sein, dass es sie gab, aber dann wüsste ich schon gern, konkret von wem und bei welcher Gelegenheit.
Oder stört dich die Kritik, die an den Meinungsäußerungen der #allesdichtmachen-Beteiligten geäußert wurde? Dann aber hätte das mit dem Thema Toleranz gar nichts zu tun. Denn wer eine Meinung - wie immer sie lautet - öffentlich kundtut, muss auch damit rechnen, kritisiert zu werden. Das umfasst sogar das Recht der Kritiker, das Kritisierte gar nicht richtig verstanden zu haben. Das Wesen der Meinungsfreiheit ist ja gerade, dass die Meinungen keine ausgewiesenen Expertisen darstellen müssen. Selbst der größtmögliche Blödsinn wird von ihr abgedeckt, solange er nicht beleidigend oder diffamierend ist. Nur, dass er deshalb unwidersprochen stehengelassen werden muss, ist Quatsch. Sowohl im Sinne der Meinungsfreiheit als auch im Sinne der Toleranz. Tolerant zu sein heißt, unliebsame Meinungen dulden zu müssen, nicht ihnen nicht widersprechen zu dürfen.
grunzquiek hat geschrieben:Wenn man eine möglichst große Anzahl an Argumenten, Vorschlägen und auch Weltanschauungen zur Auswahl hat, aus denen man sich für ein Problem das Beste zusammensuchen kann, führt das eher zu einer guten Lösung, als wenn man seine Auswahl von vornherein einschränkt, zum Beispiel weil etwas von "rechts" oder "links" kommt.
Dem wird man auf den ersten Blick vorbehaltlos zustimmen. Allerdings sehe ich da schon ein paar Einschränkungen. Ich will mal ein drastisches Beispiel wählen, um das Problem deutlich zu machen. Ich möchte nicht, dass Kinder in der Schule von einem Lehrer mit "Heil Hitler" begrüßt werden. Es gibt also Grenzen der Toleranz. Wo die genau zu setzen sind, darüber kann man sicher trefflich streiten. Wenn ein Lehrer, wie geschehen, in einem Blog offen die Existenz von Corona leugnet und die Schüler mehrfach auffordert, sich nicht an die von der Regierung verhängten Einschränkungen zu halten, ist das sicher ein solcher Grenzfall. Sollte man diesen Lehrer suspendieren? Ich denke, ja, aber ich verstehe auch, wenn jemand sagt, das ginge zu weit. Das ist eine schwierige Frage. Wenn allerdings jemand offen eine Weltanschauung propagiert, die unserem Grundgesetz widerspricht, kann er meinetwegen noch als Mechaniker arbeiten, im Lehrerberuf hat er dann nix mehr verloren. Eine Demokratie muss auch wehrhaft sein, gerade wenn es um die sensiblen Bereiche rund um die Heranwachsenden geht.
grunzquiek hat geschrieben:Der Gipfel der Absurdität ist dann erreicht, wenn man etwas ablehnt, nur weil es von der falschen Seite oder einer unliebsamen Person Zustimmung bekommt, selbst wenn man es vorher für brauchbar oder gut befunden hat.
Da hast du zweifelsfrei recht. Nur, das ist nun wirklich auf allen (politischen) Seiten gang und gäbe. Ebenso, wie es üblich ist, Gesagtes oder Getanes für eigene Zwecke zu missbrauchen. Ein Liefers beispielsweise ist gewiss kein Bruder im Geiste der Querdenkerbewegung, kann sich aber gegen eine Vereinnahmung durch diese Jungs und Mädels auch nicht erwehren. Er wird es verkraften. So wie wir alle verkraften müssen, manchmal Beifall von der falschen Seite zu bekommen. Wer sich deshalb selbst beschneidet, hat schon verloren.
grunzquiek hat geschrieben:Deshalb darf es meines Erachtens auch nicht sein, dass im ÖRR mittlerweile bei allen Talkshows die ich kenne, AFD-Vertreter nicht eingeladen werden.
Das Thema hatten wir ja schon mal in einem anderen Thread. Da habe ich dir schon zugestimmt. Leider haben diese Tendenzen sogar noch zugenommen. Vor Corona war wenigstens hin und wieder ein AfD-Vertreter in Talkshows zu sehen, seit Corona sehe ich gar keine mehr. Das ist ein Missstand, der dringend abgeschafft gehört. Nur, was macht dich glauben, dass es anders würde, wenn in den Rundfunkräten mehr Leute säßen, die deine politischen Überzeugungen teilen? Würde dann nicht nur die Abwesenheit der AfD durch eine Abwesenheit der Linken und der Grünen ersetzt? In der Gegenwart wissen wir das nicht, da die politischen Mehrheitsverhältnisse nicht so sind. Aber die Vergangenheit hat zumindest keine Belege dafür geliefert, dass die Toleranz in konservativeren Kreisen großgeschrieben wurde. In den 80ern, in denen die Grünen ähnliche Probleme hatten wie sie die AfD heute hat, habe ich auf jeden Fall keinen Aufschrei der Empörung ob dieser Ungerechtigkeit gehört.
Es ist sehr leicht, sich über Ungerechtigkeiten aufzuregen, wenn sie einen selbst benachteiligen. Ob all diejenigen, die jetzt ihre Stimme so laut erheben, immer noch zu hören sind, wenn andere betroffen sind, daran wage ich mal ganz leise Zweifel zu hegen ...