Die Schlächterin von Moabit

Alles, was nicht in eine andere Area passt.

Die Schlächterin von Moabit

Beitragvon MonsieurL » 10. Apr 2021 04:25

Der Haarwuchs bei den männlichen Vertretern unserer Spezies ist eine merkwürdige Angelegenheit. Wer wartete als Heranwachsender nicht sehnsüchtig auf die ersten angedeuteten Bartstoppeln, um sie stolz Mama und Papa zu präsentieren? Die tasteten dann die Kinnpartie ab und titulierten sie pflichtschuldig als äußerst kratzig, obschon sie sich objektiv bestenfalls weich und flaumig anfühlte. Die mageren Reste der ersten Rasierversuche, die jeder nächtlichen Körperbedeckung eine erkennbare Steigerung des Wohlfühlfaktors verschafft hätten, wurden davon unbeirrt als Botschafter des Mannwerdens herzlich willkommen geheißen.

Mit den Jahren jedoch wandeln sich die maskulinen Gefühle zur Kopfbehaarung. Zunächst wird die Rasur zur lästigen Pflicht. Dann mutiert der Friseurbesuch von der gerngenutzten Chance, sich leicht bekleidete Damen in einschlägigen Zeitschriften zu Gemüte zu führen zur langweiligen und kostenpflichtigen Zeitverschwendung. Führt er schließlich zu ersten Bedenken, ob der Friseur nicht demnächst eine Umschulung ins Auge fassen sollte, wird Mann langsam aber sicher alt. Die Haare verschwinden jedoch nicht einfach, sie wechseln nur den Standort. Was auf der Kopfhaut trotz teurer Rettungsversuche immer spärlicher wird, wächst mit Vorliebe aus Nase und Ohren nach. Wohl dem also, der eine Partnerin hat, die sich diesem unerwünschten Zuwachs dezent widmet, um erste Verfallserscheinungen nicht allzu offenkundig dem näheren Umfeld zu enthüllen.

Ich bin in der glücklichen Position, als randständiger Neuköllner vor geraumer Zeit trotz räumlicher Distanz mit einer patenten Moabiterin kollidiert zu sein, die sich dieser Aufgabe vorbehaltlos angenommen hat und mir somit eine Galgenfrist verschafft, bevor mich schändliche Jugendliche freundlich als Opa ansprechen. Doch was ohne Fragen oder Bitten geschieht, ist deshalb noch lange nicht umsonst, wie ich neulich leidvoll erfahren habe. In jedem traurigen Anlass liegt aber auch eine Chance. Und sei es nur die, meine Geschlechtsgenossen vor allzu großer Vertrauensseligkeit zu warnen.

Liebe Männer, überlegt euch genau, ob und wenn wann ihr eure Ohren in die Obhut einer Frau zu geben gedenkt. Ich habe den Fehler, dieses nicht genügend bedacht zu haben, fast mit dem Leben bezahlt. Als ich vorgestern vergaß, meiner Haarverwalterin eine Tüte Äpfel vom Kaufmann unseres Vertrauens mitzubringen - sie bevorzugt Braeburn, mit was anderem sollte ich besser nicht ankommen - war noch nicht viel passiert. Als ich mich beim Kochen weigerte, der Soße mit Ingwer einen etwas gesünderen Anstrich zu verpassen, hätte ich bei besserer Beobachtung schon ein leichtes Stirnrunzeln bemerken können. Aber spätestens nachdem ich vehement meinen Wunsch durchsetzte, anschließend Fußball zu gucken, hätten alle meine Sinne geschärft sein sollen.

Waren sie aber nicht. Nach dem Spiel bot sie mir mit säuselnder Stimme an, mal wieder meine Nasen- und Ohrenhaare zurückzustutzen und ich nahm siegestrunken an. Bei der Nase war noch alles okay, aber als das rechte Ohr an der Reihe war, entlud sich ihr ganzer Zorn in einem gezielten Stich in die Ohrschlagader. Was für eine Sauerei. Im Nu war das Zimmer übersät mit tiefroten Flecken. Ich bin dann ohne Schuhe raus und habe es der Ohnmacht nahe soeben noch in die Notaufnahme des nahegelegenen Krankenhauses geschafft. Fast anderthalb Liter Blut hatte ich verloren. Wäre das Krankenhaus nur fünf Minuten weiter entfernt gewesen, hätte sich die Forumsleitung überlegen müssen, ob sie mir einen Nachruf widmet (ein kleines RiP hätte ich nett gefunden).

Später dann kam meine Moabiter Freundin mich besuchen. Meiner Blutspur zu folgen, machte ihr keinerlei Mühe. Sie beteuerte natürlich, dass es sich um ein schreckliches Versehen handele, dass es ihr unendlich leid täte, und dass sie froh sei, dass ich es halbwegs unbeschadet überstanden habe. Aber wir, liebe Männer, wir wissen es besser!

In diesem Sinne,

bleibt gesund und schafft euch Ohrenschützer an. :)
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Re: Die Schlächterin von Moabit

Beitragvon Nosu » 10. Apr 2021 16:08

Was für eine Geschichte! :lol: Zum Schiessen! Finde es aber wirklich übertrieben, hier von "Schlächterin" zu sprechen, da ein Schlachtopfer normalerweise die Schlachtung nicht überlebt.
Das nur zur Verteidigung der Moabiterin, bin nämlich auch eine :juggle:
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Re: Die Schlächterin von Moabit

Beitragvon Leichenheinrich » 10. Apr 2021 20:07

Scheiß auf Ohren! Die wachsen nach und so ziemlich jeder hat zwei davon. Siege von Werder sind seltener oder welches Spiel hast Du geschaut?
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Re: Die Schlächterin von Moabit

Beitragvon MonsieurL » 11. Apr 2021 04:08

@ nosu

na, na, na. eine Frau und auch noch Moabiterin!! Ob da nicht eine gewisse Voreingenommenheit dein Urteil beeinflusst hat? :wink:

Aber schön, endlich mal wieder eine zweite preußische Stimme im Forum zu haben.

@ Heinrich

Als Werder-Fan werde ich mir doch keine Spiele von denen angucken. Wo denkst du hin? Hat dir mein Erlebnis nicht eindrücklich gezeigt, dass ich auch so schon genug zu leiden habe?
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Re: Die Schlächterin von Moabit

Beitragvon Leichenheinrich » 11. Apr 2021 11:03

Der Homo oeconomicus strebt in seinem natürlichen Trieb nach Diversifikation des Leidens, um relative Anteile auf ein erträgliches Maß herunter zu regeln. Werder-Spiele gelten aus bekannten Gründen derzeit ohnehin als ungemein zuverlässiges Asset. Die Übertragung des Pokalspiels am Mittwoch aber hielt darüber hinaus exklusive Add-Ons wie Pixelvenenthrombose und Fernlobotomie durch Spitzenpersonal an den Mikrophonen bereit. Nach dieser Grenzerfahrung fühle ich mich jedenfalls gut aufgestellt und kann mich wie zum Beweis nur noch an das Ergebnis erinnern. Selbst Schuld, wer sich solche Angebote durch die Hirnlappen gehen lässt und weiterhin auf grobschlächtige, schon dem Homo errectus bekannte Methoden vertraut.
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Re: Die Schlächterin von Moabit

Beitragvon mr.kite » 13. Apr 2021 18:39

Da hatte ich Dich ja völlig faksch eingeschätzt Monsieur. Ich dachte, Du habest die Lust verloren an blutigen Geschichten. Dabei breitest Du sie gerne aus :D
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Re: Die Schlächterin von Moabit

Beitragvon MonsieurL » 13. Apr 2021 20:29

mr.kite hat geschrieben:Ich dachte, Du habest die Lust verloren an blutigen Geschichten. Dabei breitest Du sie gerne aus


Das hat nix mit Lust zu tun. Das ist mein preußisches Pflichtbewusstsein. Ich bin stets bemüht, meiner gesellschaftlichen Verantwortung gegenüber meinen Geschlechtsgenossen nach Kräften gerecht zu werden. Dazu gehört auch eine gewisse Opferbereitschaft. :schlaumeier:
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