Anlass zum Nachdenken

Alles, was nicht in eine andere Area passt.

Anlass zum Nachdenken

Beitragvon MonsieurL » 9. Jan 2021 08:22

Nach den alles andere als erquicklichen Diskussionen beim letzten Mal wollte ich hier eigentlich keine politischen Beiträge mehr schreiben. Aber mein heutiges Thema ist meines Erachtens zu wichtig, als dass man darüber schweigen sollte.

Anlässlich der bevorstehenden Machtübergabe in den USA hat vorgestern ein wütender Mob, der vom Präsidenten aufgestachelt wurde, versucht, das Capitol zu erstürmen um die dort anwesenden Parlamentarier gewaltsam an ihrer Arbeit zu hindern. So weit, so bekannt, und so weit, so schlimm.

Dass dies ein äußerst bedenklicher Vorgang ist, dem dürfte wohl jeder Anhänger der Demokratie unabhängig von seiner politischen Prägung vorbehaltlos zustimmen. Aber mich beschäftigt dieser Vorgang und seine möglichen Folgen (evtl. Amtsenthebungsverfahren, potenzielle strafrechtliche Folgen für Trump) gar nicht so sehr. Er war erwartbar nach dem Motto "die Geister, die ich rief ...".

Was mich viel mehr umtreibt sind eben genau diese Geister, die in immer mehr Staaten aus der Flasche gelassen wurden und weiter werden. Denn längst hat besagter Trump zahllose Anhänger auf der ganzen Welt gefunden. Um deutlich zu machen, was ich meine, sei hier ein Satz von Trump sinngemäß wiedergegeben. Laut Tagesthemen hat er gesagt, er könne auf offener Straße einen Menschen erschießen, ohne dass es ihn eine einzige Wählerstimme kosten würde.

Das ist sicher eine Übertreibung, die die Allmachtsphantasien dieses Durchgeknallten widerspiegeln, aber ich fürchte, im Kern hat er gar nicht mal so unrecht. Was aber ist passiert, dass mittlerweile gar nicht so wenige Politiker glauben, mit dieser Methode, dem Trumpismus, wie er genannt wird, Erfolg haben zu können? Sicher, Trump lügt wie gedruckt, aber tun das nicht andere auch? Haben Politiker etwa früher die reine Wahrheit gesagt? Natürlich nicht. Nicht die Rechten, nicht die Linken und die in der Mitte genau so wenig.

Wie übrigens auch wir anderen Menschen nicht. Nicht die Unternehmer, nicht die Arbeitnehmer, nicht die Hausmänner/frauen. Selbst die Kinder lernten und lernen schon in frühen Jahren die "Vorzüge" der Unwahrheit kennen. Das Lügen gehört zum Menschen wie der Teufel zur Kirche.

Aber eines hat sich sehr deutlich geändert. Wenn früher jemand bei einer Lüge erwischt wurde, hat er sich ertappt gefühlt, hatte womöglich ein schlechtes Gewissen oder zumindest gewusst, dass er sich nicht hätte erwischen lassen sollen. Und er musste mit Konsequenzen rechnen. Seien es konkrete Strafen oder wenigstens Liebesentzug. Als Politiker musste man sogar mit äußerst drastischen Folgen rechnen. In den USA hat ein banaler Seitensprung so manch aufstrebenden Volksvertreter seine Karriere gekostet. Und selbst im diesbezüglich sehr viel liberaleren Deutschland haben vergleichsweise harmlose Vergehen Politiker ins Vergessen manövriert.

Ein Beispiel gefällig? Es ist noch nicht so lange her, da hatten wir einen Verteidigungsminister, der zurücktreten musste, weil er sich seinen Doktortitel erschlichen hatte. Na, weiß noch jemand den Namen? Ich musste ihn zugegeben auch googeln. Er heißt Karl-Theodor zu Guttenberg und galt als der kommende starke Mann der CSU. Frau Süßmuth trat sogar wegen missbräuchlicher Nutzung ihres Dienstwagens zurück. Eine Lappalie, deren Konsequenzen in anderen Ländern nur mild belächelt wurde.

Nun kann man in der Tat streiten, ob derlei Belanglosigkeiten so gravierende Folgen haben sollten. Mir ist es auch wurscht, ob Kohl jahrelang mit seiner Sekretäri rumgemacht hat. Das macht ihn weder zum besseren noch zum schlechteren Kanzler. Aber ganz und gar nicht egal ist, dass es mittlerweile als selbstverständlich erachtet wird, dass Lügen, ja selbst offenkundiges und beweisbares Lügen als vollkommen legitimes Mittel zum Machterwerb oder Machterhalt gilt. Zumindest von immer größeren Kreisen der Bevölkerung, wie die Trump'sche Aussage treffend widerspiegelt.

Wohlgemerkt, ich bin der letzte, der ein Problem mit einer kleinen Notlüge hat. Wenn jedoch der grundsätzliche Wert der Wahrheit in Frage gestellt wird, ist etwas faul im Staate Dänemark. Aber genau das passiert derzeit. Und das ist weiß Gott nicht nur bei den Politikern der Fall. Manchmal beschleicht mich sogar das Gefühl, dass zumindest hierzulande eine ganze Reihe Politiker viel mehr Anstand haben, als sie weite Teile der Bevölkerung verdienen. Der extrem schlechte Ruf, den sie genießen, ist mir schon seit Jahren zuwider. Es gehört längst zum "guten Ton", pauschal alle Politiker über einen Kamm zu scheren und als unfähig und gewissenlos zu diffamieren.

Und genau da liegt die Crux. Es sind nicht die Trumps, Putins und Erdogans dieser Welt, die das eigentliche Problem für die Demokratie darstellen. Wir selbst sind das Problem. Wir, die lieber dümmlichen und falschen Behauptungen folgen, als uns selbst zu informieren. Wir, die lieber Rattenfängern hinterherlaufen als uns die Mühe zu machen, selbst zu denken und Verantwortung für unser Leben zu übernehme. Und nicht zuletzt: uns auch mal zu hinterfragen. Stattdessen lesen wir nur (wenn wir überhaupt noch lesen), was uns in unserer vorgefassten Meinung bestärkt.

Ein Gerücht, dass ein Ausländer eine deutsche Frau vergewaltigt hat, verbreitet sich in Windeseile über die ganze Republik. Der Fakt, dass die Kriminalitätsrate der Ausländer nicht höher als die der Deutschen ist, bleibt weitgehend unbeachtet. Das ist übrigens nur ein Beispiel und ich leugne selbstverständlich auch nicht, dass ausländische Männer deutsche Frauen vergewaltigen. So wie deutsche Männer auch ausländische Frauen vergewaltigen.

Ich habe alles Verständnis dafür, dass wir Menschen bequem sind. Ich selbst bin sogar ein überaus bequemer Mensch. Aber wenn es darauf ankommt, und die Zeit ist leider so gefährlich, dass es sehr darauf ankommt, dann sollten wir tunlichst nicht ganz so bequem um die Ecke kommen. Ansonsten übernehmen nämlich Typen wie Trump hier die Kontrolle. Dann haben wir es allerings wieder sehr bequem. Denn dann haben wir nix mehr zu melden. Ich weiß nur nicht, ob wir das wirklich wollen.

P.S. Niemand möge mir mit dem Argument kommen, man könne ja eh nix machen. So nach dem Motto: Die da oben machen ohnehin, was sie wollen. Das ist hochgradiger Blödsinn. Politiker und andere Entscheidungsträger sind keine Aliens aus einer anderen Welt. Sie sind größtenteils, wie der Rest der Gesellschaft, Opportunisten und machen genau das, was gut ankommt. Zumindest so lange, bis sie glauben, genug Macht zu haben, um nicht mehr darauf achten zu müssen.
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Re: Anlass zum Nachdenken

Beitragvon Skatfuchs » 9. Jan 2021 11:41

Hallo,

"Und genau da liegt die Crux. Es sind nicht die Trumps, Putins und Erdogans dieser Welt, die das eigentliche Problem für die Demokratie darstellen. Wir selbst sind das Problem. Wir, die lieber dümmlichen und falschen Behauptungen folgen, als uns selbst zu informieren. "

Ich bin bestimmt kein Fan von Trump mit seiner arroganten, überheblichen und frauenfeindlichen Einstellung.
Doch bei zwei grundlegenden Fragen seiner Politik muss ich ihm Recht geben:
1. Er hat vor seiner Wahl alle die Dinge versprochen, die er hinterher auch umgesetzt hat- und dafür haben ihm ja die Amerikaner gewählt!
Welcher von den anderen Politikern hat das schon auch so konsequent getan? Ob seine Politikziele dabei von mir vertreten werden, steht ganz woanders und ich musste ihn ja nicht wählen.
2. Wir Europäer haben gern die Amerikaner als den "Weltpolizisten" gesehen, der sich überlall und wenn es sein muss mit militärischer Gewalt einmischt. Wenn das nun nicht mehr so ist, und wir selbst mehr Verantwortung übernehmen sollen, so gefällt uns das aber auch wieder nicht.

Für mich stellt sich aus den oben genannten thread die Frage: Wie gelingt es bestimmten Gruppen oder Medien die Menschen so zu manipulieren, dass sie nicht mehr zwischen Recht und Unrecht unterscheiden können bzw. der Meinung sind: "Der Zweck heiligt die Mittel"?
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Re: Anlass zum Nachdenken

Beitragvon grunzquiek » 9. Jan 2021 17:14

Tag! :)

Das ist ja ein weites Thema, ich möchte mich mal auf diese Teile beschränken:

MonsieurL hat geschrieben:Und genau da liegt die Crux. Es sind nicht die Trumps, Putins und Erdogans dieser Welt, die das eigentliche Problem für die Demokratie darstellen. Wir selbst sind das Problem. Wir, die lieber dümmlichen und falschen Behauptungen folgen, als uns selbst zu informieren. Wir, die lieber Rattenfängern hinterherlaufen als uns die Mühe zu machen, selbst zu denken und Verantwortung für unser Leben zu übernehme. Und nicht zuletzt: uns auch mal zu hinterfragen. Stattdessen lesen wir nur (wenn wir überhaupt noch lesen), was uns in unserer vorgefassten Meinung bestärkt.


Ich möchte mich dabei nicht einschließen. Dabei möchte ich auch zu Bedenken geben, dass das, was als dümmlich und falsch bezeichnet wird, nicht zwangsläufig von jedem so gesehen werden muss, auch wenn sich ein Andersdenkender umfassend informiert hat. Ich bin umfassend informiert, trotzdem bin ich manchmal ganz anderer Meinung als manch anderer hier, der sich ebenfalls für umfassend informiert hält. Bei diesem Patt liegt es nahe, dem Andersdenkenden Dummheit, unlautere Motive oder einen üblen Charakter zu unterstellen. Das ist dann allerdings besonders fies. Ich warne euch: Wenn es sein muss, dann kann ich genauso fies und gemein sein wie ihr! :evil:

Das Berufsleben und der sonstige Alltag, dafür gibt es sogar schon den Begriff "Freizeitstress", davon hätte man vor 100 Jahren wohl nichtmal geträumt, lassen den Leuten zu wenig Muße (das Wort ist sogar schon weitgehend aus dem allgemeinen Sprachgebrauch verschwunden), um sich vielfältig zu informieren. Da wird einfach die Tagesschau eingeschaltet, die Leute übernehmen den Quark, der nicht mehr alten journalistischen Grundsätzen entspricht, sondern das zeigt, was zur Erziehung der Bevölkerung angemessen erscheint und die "Haltung" der Journalisten deutlich werden lässt, und halten das für eine Richtlinie, an die man sich anpassen sollte. Das war in Deutschland schon immer so. Oder sie lehnen das Ganze ab und schauen, wo es eine andere Blase gibt, in der sie sich wohlfühlen. Da wird nur noch zwischen der ÖRR-Blase oder der eigenen angenehmen gewählt. Die meisten scheinen sich in der ÖRR-Blase wohlzufühlen.

Um sich auchmal dort umzuschauen, wo es gegensätzliche andere Meinungen, "Haltungen" und Prioritäten gibt, hat man erfreulicherweise das Internet, aber es geht viel Zeit dabei drauf.
Wer will schon seine kostbare Freizeit dafür opfern, sich vielfältig zu informieren, und dabei womöglich noch zu ärgern, wenn er sich in den bestehenden ÖRR-Verhältnissen oder einer anderen Blase wohlfühlt?

Wenn jemand weiß, dass er selber eh nichts ändern kann, dann ist es das für die meisten Leute nicht wert.
MonsieurL hat geschrieben:Niemand möge mir mit dem Argument kommen, man könne ja eh nix machen. So nach dem Motto: Die da oben machen ohnehin, was sie wollen. Das ist hochgradiger Blödsinn. Politiker und andere Entscheidungsträger sind keine Aliens aus einer anderen Welt. Sie sind größtenteils, wie der Rest der Gesellschaft, Opportunisten und machen genau das, was gut ankommt.


Doch, genau mit dem Argument komme ich jetzt:

Dass man eh nichts ändern kann, ist keine Schutzbehauptung für die eigene Trägheit, sondern die Wahrheit: Wenn man immer wieder sieht, wie die Meinungsmacher im ÖRR und den regierungstreuen sonstigen Medien, in ihren meinungsbildenden Talkshows immer wieder die selben Leute oder dieselben Parteien bringen, und andere, deren Meinung nicht dem Mainstream entspricht, entweder garnicht, oder als Opfer für den gesamten Rest der Diskussionsrunde, dann weiß man, dass es keine wirkungsvolle Möglichkeit gibt, eine nichtkonforme Meinung einer großen Öffentlichkeit nahezubringen.

Zu den Geschassten zählen dabei nicht nur (offensichtlich) die Vertreter der AfD, sondern auch andere, wie z.B. Wissenschaftler, die nicht in die Klima-, CO2- und Elektroautopropaganda einstimmen.

Seinerzeit, als Frau Merkel beschlossen hat, die Atomkraftwerke abzuschalten (weil in Bayern jederzeit ein Tsunami auftreten kann oder so...), haben die Haupt-Medien gejubelt, und ich habe dort nur selten von jemanden gehört oder gelesen, der wissen wollte, wo denn ansonsten genug umweltfreundlicher Strom herkommen solle. Als 2015 die sogenannten "Flüchtlinge" ins Land gebeten wurden, war es noch extremer: Überall wurden Bilder von kleinen Kindern mit ihren Müttern gezeigt, gekommen sind überwiegend kräftige junge Männer, die dann doch nicht die heißersehnten Fachkräfte waren.

Das war jetzt mal schon eine weitgehende Zusammenfassung dessen, was vielen Leuten, die sich eine eigene Meinung bilden, sauer aufstößt. Wenn man über Jahre merkt, dass man dabei kein Einzelfall ist, sondern die eigene Meinung überall, bei Bekannten, Verwandten, Kollegen, sogar LINKE- Parteimitgliedern weit verbreitet ist, dann weiß man, dass man nichts ändern kann. Die beiden LINKE-Mitglieder, die dabei speziell im Sinn habe, üben sich im passiven Widerstand. Wenn die Großkopfeten der Partei jetzt öffentlich gendern und klimawandeln, statt sich um soziale Missstände zu kümmern, dann ist für Viele der Ofen aus. Einer ist von seinem Posten in der Partei zurückgetreten, und beide wählen die Partei nicht mehr, bis sich etwas ändert. Die Partei wird eher aus den Parlamenten verschwinden, weil sie nichtmal mehr von den eigenen Mitgliedern gewählt wird, als dass die Spitzenpolitiker ihre Meinungen ändern. Gewählt werden die Spitzenpolitiker von den Parteimitgliedern trotzdem immer wieder, wenn sie auf ihrer Ebene gut vernetzt sind, weil das Demokratieprinzip bei wohl allen Parteien fast umgekehrt wurde: Die oben haben genug Mittel mit Zuckerbrot und Peitsche, um denen da unten vorschreiben zu können, wen sie wählen sollen.

Und was die Wähler angeht: Da orientieren sich die Politiker bei der Grundausrichtung der Politik an den Hauptmedien. Das ist zu beider Vorteil: Die Medienleute folgen ihrer reinen Lehre der Volkserziehung, die Politiker bekommen die Wählerstimmen, wenn sie dem brav folgen. Wenn das funktioniert, und das tut es, bekommen wiederum die Medienleute die Unterstützung der Politik, z. B. üppige GEZ-Gebühren für die Gehälter und Pensionen und nebenbei noch ein bisschen Billigprogramm. Wenn nicht die Medienleute die Oberhand bei der Festlegung der Richtlinien der Politik hätten, sondern die Politiker, dann hätte es kaum zu einer radikalen Änderung der Ausrichtung der CDU innerhalb weniger Jahre kommen können. Die Politiker haben ihre Meinung an die Medien angepasst, nicht umgekehrt! Die Medienleute sind stärker, weil sie eben nicht so opportunistisch sind wie die Politiker, sondern ihre persönliche "Haltung" durchdrücken, und das können sie, weil sie mit ihren Ansichten und Absichten weitgehend unter sich sind und Abweichler wegdrücken können. Die Politiker wissen genau, wer für ihre Wählerstimmen sorgt.

Die Themenauswahl bei den Hauptmedien ist auf das beschränkt, was gerade unübersehbar ist wie Corona oder was einer bestimmten politischen Richtung nutzen kann, aber langanhaltende Missstände wie Krankenhauskeime, die jedes Jahr 10 - 20.000 Menschenleben in Deutschland kosten, werden allenfalls alle paar Jahre mal irgendwo beiläufig erwähnt. Sowas wird erst dann zum wichtigen Problem erklärt, wenn Frau/In Baerbock oder Herr/In Habeck das Thema für sich entdecken. Den Seitenhieb konnte ich mir nicht verkneifen, weil die beiden für mich wie ein rotes Tuch sind und mir immer gleich einfallen, wenn es um Politik geht. Das musste jetzt einfach sein.

Und nochwas: ""Und genau da liegt die Crux. Es sind nicht die Trumps, Putins und Erdogans dieser Welt...." Warum wird so gut wie nie der nette Herr Xi Jinping erwähnt? Immerhin ist er der Regierungschef des erfolgreichsten nationalistischen und imperialistischen Staates der Welt!

Tschüß!
grunzquiek

P.S.:
Nur mal angenommen, jemand wie Trump wäre Spitzenkandidat der CDU und die Medienleute wären stramm rechts statt grün: Dann wäre er nicht der Teufel in Person, sondern der Heilsbringer und würde problemlos Bundeskanzler werden. Bei den Amis, so meine feste Überzeugung, ist das nicht so einfach, weil die Medienlandschaft vielfältiger ist. Dort hat man bei den Hauptmedien deutliche Unterschiede und kann vergleichen. Deswegen sollte man sich sich hier nicht so auf die breite demokratische Brust klopfen, damit ist es nämlich hier nicht so weit her, wie gerne der Eindruck vermittelt wird.
"Es gibt so Tage, da wehen einen die Urfragen der Menschheit an.
Was ist der Mensch? Wo kommt er her? Und warum ist er nicht dort geblieben?"

(Matthias Beltz, Skat- und Bierforscher, Autor, Jurist, Kabarettist)
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Re: Anlass zum Nachdenken

Beitragvon MonsieurL » 10. Jan 2021 07:58

Zunächst mal bin ich hocherfreut, dass dieses wichtige Thema auch auf einer Skatplattform sachliche Resonnanz findet. Das ist alles andere als selbstverständlich. :top:

@ Fuchs

Zu deinem ersten Einwand: Obwoh ich mit ihr ganz und gar nicht einverstanden bin, geht es mir nicht um die Politik von Trump. Die kann man in Teilen oder sogar in großen Teilen gut finden. Das ist es, was Demokratie ausmacht. Eine Vielfalt der Meinungen, bei der man abweichende von der eigenen tolerieren oder manchmal sogar aushalten muss.

Was allerdings nicht tolerabel ist, sich einfach hinzustellen und eine Abwahl zu negieren. Das hat schon Altkanzler Schröder in seinem unsäglichen Fernsehauftritt nach der gewonnenen Wahl von Frau Merkel verbal versucht und sich damit vollständig disqualifiziert. Trump jedoch ging sogar noch einen gewaltigen Schritt weiter und hat seine Anhänger mehr oder weniger offen zu gewaltsamem Widerstand gegen seine Abwahl aufgerufen. Und das widerspricht jeglichen Prinzipien der Demokratie und bringt die USA, wenn es schlecht läuft, an den Rand eines Bürgerkrieges. Man muss wahrlich kein Prophet sein, um zu behaupten, dass die fünf Toten dieses Tages nicht die letzten waren.

Allerdings ist auch das nur am Rande mein Thema. Meinen zentralen Punkt sprichst du in deinem letzten Absatz an. Und hier würde ich dir ein Stück weit widersprechen. Ich glaube nicht, dass die Menschen nicht mehr zwischen Recht und Unrecht unterscheiden können. Das können sie sehr wohl. Wenn ihnen das Recht oder die Wahrheit in den Kram passt, wird auch immer wieder gern auf unwiderlegbare Fakten zurückgegriffen. Nur wenn sie gerade nicht das eigene Bild bzw. die eigenen Interessen widerspiegelt, wird sie ignoriert.

Bis zu einem gewissen Grad war das übrigens vor einigen Jahrzehnten nicht anders. Schließlich war die Gesellschaft auch damals nicht homogen und die Menschen haben sich mehrheitlich mit Händen und Füßen gewehrt, wenn sie sich in ihren Ansichten angegriffen fühlten. Egal, welcher politischer Couleur sie sich zugehörig fühlten. War damals jedoch eine Behauptung eindeutig widerlegt, haben nur sehr wenige Unverbesserliche weiter an ihr festgehalten. Und die wurden vollkommen zurecht anschließend nicht mehr ernstgenommen.

Heutzutage gilt das leider nicht mehr bei allen. In meiner Jugend grassierte ein Witz, den ich in diesem Zusammenhang recht hilfreich finde. "In einem Autorennen zwischen einem amerikanischen und einem russischen Wagen gewann der Amerikaner. Am nächsten Tag war in der russischen Presse zu lesen: Bei einem Autorennen hat der russische Wagen einen glorreichen zweiten Platz belegt, während der amerikanische Vorletzter wurde." Den Witz hat damals jeder als Wtz verstanden. Heute sind derlei Umdeutungen der Realität an der Tagesordnung. Und niemand lacht mehr.

Ich habe erst vorgestern von einer gebildeten Frau eine mir bis dato noch nicht bekannte Verschwörungstheorie zum Coronavirus gehört. Sie ist davon überzeugt, dass bestimmte Politikerkreise schon immer auf der Suche nach einem Virus oder ähnlichem waren, um die Menschen besser überwachen zu können. Mit dem im Labor entwickelten Coronavirus haben sie nun endlich eine Handhabe. Denn der Impfstoff ist in Wahrheit nur eine Art flüssiger Chip, der ihnen den totalen Überwachungsstaat ermöglicht. Hätte sie dies vor 30 Jahren erzählt, hätte man sie in die Klapse gesperrt. Wenn sie heute so etwas in irgendwelchen sozialen Medien postet, hat sie binnen kürzester Zeit zigtausend Follower.

@ grunzquiek

Puh, dass mir hier noch mal jemand den Rang streitig macht, die ausführlichsten Threads zu schreiben ... :D

Dass wir beide recht unterschiedliche politische Ansichten haben, dürfte eifrigen (und geduldigen) Lesern dieser Off-Topic-Rubrik schon länger klar sein. Aber ich zumindest habe damit kein Problem (ich denke du auch nicht). Und ich hoffe sehr, dass du nicht mich meinst, wenn du schreibst, dass Andersdenkenden Dummheit, unlautere Motive und ein übler Charakter unterstellt wird. Wenn du dich umfassend informierst, und das glaube ich dir aufs Wort, musst du dich bei meiner Kritik auch nicht angesprochen fühlen.

Wie ich oben schon schrieb, sind unterschiedliche Meinungen notwendiger Bestandteil jeder Demokratie. Und dazu gehören nun mal auch Minderheitenmeinungen. Viele Jahre meines Lebens war ich mit meiner Meinung selbst Teil einer Minderheit. Das hat sich zugegeben ein wenig geändert. Der Marsch durch die Institutionen, den die 68er proklamiert und die Friedensbewegten vollzogen haben, war durchaus erfolgreich und das spiegelt sich in vielen Bereichen der Gesellschaft mittlerweile wider. Nicht nur in der Politik und in den öffentlich-rechtlichen Medien.

Es wird dich vielleicht wundern, dass ich das gar nicht so gut finde. Denn ich weiß, dass viele ein konservativeres Weltbild haben als ich. Und in der Tat haben diese Leute zur Zeit Probleme, in der Politik und im ÖRR Gehör zu finden. Die CDU ist mit Merkel so weit in die Mitte gerutscht, dass sich Konservative in ihr nicht mehr wohl fühlen. Deshalb ist auch die Entstehung der AfD nicht wirklich überraschend. Ich begrüße es sogar, dass sich am rechten Rand eine neue Partei gegründet hat. Einzig die Tatsache, dass sich die AfD partout nicht von Rechtsradikalen lossagt, in weiten Teilen des Ostens sogar von denen dominiert wird, finde ich äußerst bedenklich. Täten sie das, würden sie m.E. auch in der Medienlandschaft mehr Gehör finden, sogar im ÖRR.

Aber davon bleibt unbenommen, dass sie die Meinung einer Minderheit der Bevölkerung widerspiegeln. Sie sind eben nicht das Volk, wie sie so gern propagieren, sondern lediglich ein kleinerer Teil des Volkes (zu meinem persönlichen Bedauern allerdings ein mittlerweile nicht mehr unbedeutender).

In der Demokratie aber hat die Mehrheit das Sagen, ich musste diese Erfahrung in jungen Jahren auch leidvoll machen. Dass sie gut beraten ist, auch Minderheiten Gehör zu schenken und einen Platz in ihr einzuräumen, ist davon unbenommen. Da hat unsere Gesellschaft sicher auch noch ne Menge Luft nach oben.

Das ändert aber nichts daran, dass es sich durchaus lohnt, für ein besseres Standing in der Allgemeinheit zu kämpfen. Minderheiten können zu Mehrheiten werden, das hat die Vergangenheit oft genug gezeigt. Problematisch wird das nur, wenn die Wahl der Mittel bestimmte Grenzen sprengt (siehe die RAF bei den Linken). Und dazu gehört eben auch, erwiesene Tatsachen nicht zu leugnen, nur weil sie halt gerade nicht passen. Das gilt - nur um das noch mal klarzustellen - natürlich für alle politischen Lager, egal ob sie gerade mehrheitsfähig sind oder nicht.
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Re: Anlass zum Nachdenken

Beitragvon John » 10. Jan 2021 10:38

https://www.thalia.de/shop/home/artikel ... 07163.html

Keine Sorge, ich will hier nicht für ein Buch Werbung machen; schon gar nicht für ein Buch, das (fast) absolut apolitisch unsere deutsche Sprache unter die Lupe nimmt. Auf rd. 200 Seiten etwa ebenso viele Wörter. Da mir momentan keine andere Vervielfältigungstechnik einfällt, schreibe ich die Passage ab, die als einzige einen politischen Standpunkt verrät, einen Standpunkt, der genau meinem entspricht. Es geht um eine sprachlogische Betrachtung des Begriffs "Linientreue".

Eine Vorstufe zur verpflichtenden Linientreue ist das betreute Denken, eine von staatlich beeinflussten Medien praktizierte Technik der geschickten Meinungsbeeinflussung durch Falschdarstellung und lückenhafte Berichterstattung. Hier ist der kritische Geist des mündigen Bürgers gefragt ...
Soll genügen. Einen persönlichen Gedanken, wie Umfrageergebnisse nach meiner Vorstellung zustandekommen, schicke ich nach Auffinden nach.

Hier mein Gedanke. Es ging darum, zu erläutern, wie bei Umfragen mit inhaltlich praktisch identischem Hintergrund verschiedene Ergebnisse herauskommen können, ja - logischerweise je nach exakter Frageformulierung - herauskommen müssen:

"Finden Sie, dass die sogenannte Pandemie dadurch bekämpft werden kann, dass eine 21jährige, die ihre Eltern besucht und dann um 22:00 nach hause fährt, 500.-€ Bußgeld dafür zahlen muss?

Sehen Sie eine Verpflichtung der Politiker, ihre Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie nachvollziehbar zu begründen?

Glauben Sie, dass die immer mehr ansteigende Zahl der Infizierten und Toten jede Einschränkung von Grundrechten per se rechtfertigt?"

So könnte ich mir vorstellen, dass Fragen lauten, deren Antworten dann die Quelle der 16 bzw. 84 % sind.

Eine Frage dazu: Glaubt ihr, dass bei jeder der genannten Fragen sich die gleiche Prozentzahl bei den Antworten ergeben würde?
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Re: Anlass zum Nachdenken

Beitragvon mr.kite » 11. Jan 2021 11:13

Herrje, Politik. Und mal wieder gegen "die Politiker". Ich liebe es.

Da ich nunmal einer davon bin (wenn auch auf niedriger Ebene) mal dazu etwas: Ich bin seit mittlerweile 15 Jahren (und das ist immerhin beinahe mein halbes Leben) manchmal mehr manchmal weniger aktives FDP-Mitglied. Aktuell (und auch schon vor 12 Jahren) in wechselnden Positionen in Vorständen und mittlerweile auch "im Amt", will heißen Gemeinderat. Das ist nun alles nicht viel und viele haben da mehr aufzuweisen. Aber es genügt um ein wenig zu wissen, wie der Hase läuft und wie eben nicht.
1. Das Verhältnis zu anderen Parteien: Es hat bei uns in Bayern seit jeher Tradition, dass alle wild durcheinanderplappern bis jemand von der CSU in den Raum kommt. In dem Moment sind die Reihen geschlossen, seien sie Rot, Grün, Gelb, Violett, Orange oder was auch immer. Zumindest war das mal so. Mittlerweile (seit die AfD ihr Unwesen treibt) ist das anders. Man geht etwas zahmer miteinander um, weil der Feind woanders sitzt.
Was ist das besondere an der AfD? Allen anderen relevanten Wettbewerbern, seien Sie auch Dunkelrot oder Schwarz, gestehe ich bei aller inhaltlicher Distanz zu, dass Ihr Ziel ein ehrenwertes ist. Dass Ihre Wege das Ziel zu erreichen völlig untauglich und stümperhaft sind ist sowieso klar 8) , aber es gibt eine Basis aufgrund derer man zusammenarbeiten kann und gemeinsam Ziele erreichen kann. Das Ziel der AfD ist Klamauk. Sie will nichts besser machen, sie will nur zerstören. Deswegen wird sie (fast überall) auf allen politischen Ebenen gemieden und auch weiterhin gemieden werden.
2. Das Verhältnis zu "den Medien": Mir gefällt die teils tendenziöse Berichterstattung des ÖRR auch nicht. Ich wäre mal für eine Initiative "Streicht die Adjektive", dann wirds schlagartig besser. Aber immerhin bemühen sie sich. Wem das nicht reicht, es gibt ein fantastisches Zeitungsangebot im Internet: Von taz bis nzz, von heise über golem zu 1e9.
Und natürlich ist das eine zweischneidige Sache. Auch Politiker wissen, wann sie welche Meldung in der Zeitung haben wollen und wie sie das hinkriegen dass das auch passiert. Die sozialen Medien machen das natürlich noch einfacher.

Zum politischen System: Deutschland hat im Vergleich zu den USA oder auch Großbritannien einen unheimlichen Vorteil: Wir haben ein echtes Mehrparteiensystem. In USA hatten Wähler realistisch nur die Wahl zwischen einerseits "Protektionismus, erzkonservativer Evangelikalenverschnitt ohne Bibelkenntnis, Politik nach Bauchgefühl" und andererseits "Ich bin nicht Trump".
In Deutschland könnte so etwas nicht passieren. Wenn die Union einen Trump-Verschnitt aufstellt wird sie von allen Seiten zerpflückt werden. Und falls sie wider Erwarten doch ein passabeles Ergebnis einfahren und eine Regierung anführen kann sie dennoch weit weniger extreme Politik machen wie ein mit Vetomacht und absoluter Mehrheit in 2 Kammern agierender US-Präsident. Denn auch wenn es bei der aktuellen Amtsinhaberin überraschen mag: auch ein Bundeskanzler kann ganz schnell mal weg sein, ohne Gerichtsverfahren oder ähnliches.

Ist das deutsche System also perfekt? Nein, keinesfalls. Es dauert einfach alles ein Stück länger und (was noch wichtiger ist) es gibt zu wenige "echte" Regierungswechsel in denen nicht nur eine Partei ausgetauscht wird (der letzte war 1998!). Das tut dem politischen Prozess nicht gut. Trotzdem ists mir lieber so als wie fast allen anderen großen Demokratien (auch Frankreich, Polen)
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Re: Anlass zum Nachdenken

Beitragvon Skatfuchs » 11. Jan 2021 15:05

Hallo,

ich denke nicht, dass es hier MonsieurL allgemein um die Politiker ging; geschweige denn diese zu diffamieren.

Sein Anliegen war wohl mehr zu ergründen, warum es bestimmten Politikern gelingt, ihre Wähler zu ihren Gunsten so sehr zu beeinflussen, dass sie diesem bedenkenlos folgen, auch wenn es "Bauernfänger" sind.
Leider haben wir Deutschen damit ja auch schon einige negative und sehr leidvolle Erfahrungen gemacht.
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Re: Anlass zum Nachdenken

Beitragvon mr.kite » 11. Jan 2021 17:08

Ich bezog mich auch nicht auf den Beitrag von MonsieurL. Es handelt sich um ein allgemeines Statement das ohne Bezüge auskommt.

Noch eine allgemeine Anmerkung: "Ich kann ohnehin nichts verändern" ist eine Aussage die ich nur von Leuten akzeptiere, die es ernstlich versucht haben und gescheitert sind. JEDER der etwas ändern will kann etwas ändern. Spätestens seit Greta Thunberg wissen wir, was einzelne - seinerzeit völlig unbedeutende - Menschen bewegen können und damit den Mächtigsten das Fürchten lehren - wenn sie die Überzeugung, den Willen und die Ausdauer haben.
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Re: Anlass zum Nachdenken

Beitragvon John » 11. Jan 2021 17:50

Da möchte ich mrkite absolut Recht geben. Was Politik anbetrifft, so hat wohl jeder seinen eigenen Standpunkt zu den entsprechenden Vorgängen.

Nun gibt es Denker, die ihre Gedankengänge mehr oder weniger nachvollziehbar formulieren und Macher, die sich mehr oder weniger stark in politische Entwicklungen selbst einklinken und damit diese mit beeinflussen.

Es gibt sicher auch geniale, vor allem positive Denker und wenn nun die Gedanken von einem solchen von einem Macher aufgegriffen werden, dann wird eben etwas bewegt.

Ob das nun dann etwas Positives ist oder das Gegenteil, hängt von den Bedenken ab, die in einer Demokratie selbstverständlich dazugehören sollen, bevor man Entscheidungen (bzw. Maßnahmen) kritik- und scheinbar (oder anscheinend) alternativlos begrüßt und für gut findet.
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Re: Anlass zum Nachdenken

Beitragvon HelAu » 11. Jan 2021 18:36

Letztendlich kann ich bei der breiten Masse immer wieder nur Einstein zitieren:
https://www.spruchwelt.com/zitat/einstein-zwei-dinge-sind-unendlich-das-universum-und-die-menschliche-dummheit
Ich will auch nicht ausschliessen dass ich selbst dazu gehöre, aber für meinen Teil hab ich längst aufgehört mir darüber Gedanken zu machen. Die Menschheit wird es schon früher oder später schaffen, die Welt von Ihr zu befreien ...
Wer Rechtschreibfehler findet, darf diese behalten
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Re: Anlass zum Nachdenken

Beitragvon MonsieurL » 12. Jan 2021 08:00

Das wird ja immer besser hier. :)

Erstmal möchte ich Kite meinen außerordentlichen Respekt bekunden, dass er sich in der heutigen Zeit noch in der Poliik engagiert. Bei dem allgemeinen Politiker-Bashing ist das gewiss nicht vergnügungssteuerpflichtig. Und deine Rolle in der Lokalpolitik, die du so sympathisch bescheiden kleinredest, finde ich außerordentlich bedeutsam. Die Tatsache, dass hier in unserem Land vieles so reibungslos funktioniert, dass es die Menschen kaum merken, ist in allererster Linie den vielen vollkommen unbekannten Lokalpolitikern zu verdanken, die - oft sogar weitgehend ehrenamtlich - mit großem Engagement, Einsatz und Pragmatismus dafür sorgen, dass der Rest der Bevölkerung die Zeit und Muße findet, ständig auf euch rumzuhacken und die vergleichsweise wenigen Dinge, die mal nicht so gut klappen, bis zum Geht-nicht-mehr aufzubauschen.

Keine Frage, es ist längst nicht alles prima in Deutschland, ich habe auch viel zu beanstanden. Aber bei aller Kritik sollte nicht vergessen werden, dass es uns hier vergleichsweise sehr gut geht. Und das meine ich weiß Gott nicht nur bezogen auf den Wohlstand. Hier wird keiner in den Knast gesteckt, weil er eine den Mächtigen unliebsame Meinung äußert. Hier muss niemand fürchten, Opfer von Polizeigewalt zu werden, weil er eine von der Norm abweichende Hautfarbe hat. Hier kann jeder weitgehend nach seiner Fasson leben, sich seine Religion aussuchen oder "ungläubig" sein. Und nicht zuletzt: hier können wir seit vielen Jahrzehnten in Frieden leben. Das wird immer gern vergessen. Es ist ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft, dass man all dies so betonen muss. Kritik ist gut, ist sogar unverzichtbar, damit die Dinge besser werden. Aber ein wenig mehr Demut und Anerkennung dessen, was hierzulande geleistet wurde und wird, würde uns sehr gut zu Gesicht stehen.

Wenn man sich all diese und die vielen anderen nicht genannten positiven Dinge öfter mal durch den Kopf gehen lässt, wird einem auch schnell bewusst, wie viel wir verlieren können, wenn wir uns nicht bemühen, das Erreichte zu bewahren. Denn all diese Errungenschaften sind keinesfalls in Stein gemeißelt.

Was übrigens das von mir gewünschte Engagement angeht, da gibt es viele Möglichkeiten, auch ohne in die Politik zu gehen. Manche sind davon auch gar nicht mit zusätzlichem Aufwand verbunden. Es reicht völlig aus, einfach mal in seinem privaten Umfeld ein wenig Arsch in der Hose zu zeigen. Zum Beispiel nicht jede Äußerung in der Kneipe, beim Familientreffen oder beim gemeinschaftlichen Fußball gucken unkommentiert stehen lassen. Wenn an meinem Tisch einer von Kanaken spricht, frage ich ihn, ob er die Südseeinsulaner meint, spricht er von Schwarzköppen, nenne ich ihn Blondkopp. Ich weiß, den Rassismus krieg ich damit nicht weg, aber wenigstens merkt derjenige, dass es eben nicht bei allen gut ankommt, wenn er derart herablassend über andere spricht. Und manchmal hat sich daraus sogar ein vernünftiges Gespräch ergeben...
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Re: Anlass zum Nachdenken

Beitragvon grunzquiek » 12. Jan 2021 08:21

mr.kite hat geschrieben:Noch eine allgemeine Anmerkung: "Ich kann ohnehin nichts verändern" ist eine Aussage die ich nur von Leuten akzeptiere, die es ernstlich versucht haben und gescheitert sind. JEDER der etwas ändern will kann etwas ändern. Spätestens seit Greta Thunberg wissen wir, was einzelne - seinerzeit völlig unbedeutende - Menschen bewegen können und damit den Mächtigsten das Fürchten lehren - wenn sie die Überzeugung, den Willen und die Ausdauer haben.


Schon richtig. Ich habe mich wohl falsch ausgedrückt, richtiger wäre gewesen: "Man kann mit angemessenem Aufwand eh nichts ändern."
In den Schul-, Hunger- oder Arbeitsstreik kann natürlich jeder treten, dazu müssen dann noch ne Menge Journalisten bzw. Presseagenturen hinbewegt werden, das gelingt aber nur jemandem, der entsprechenden Verbindungen hat. Die Wahrscheinlichkeit, damit einer breiten Öffentlichkeit etwas nahezubringen ist jedenfalls minimal und für jemanden, der auch noch ein normales Leben führen möchte, sind der Aufwand und das Risiko (Hungerödeme oder eine Kündigung, es geht ja nicht jeder zur Schule) nicht angemessen.
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Re: Anlass zum Nachdenken

Beitragvon sacklzement » 12. Jan 2021 09:29

mr.kite hat geschrieben:
Noch eine allgemeine Anmerkung: "Ich kann ohnehin nichts verändern" ist eine Aussage die ich nur von Leuten akzeptiere, die es ernstlich versucht haben und gescheitert sind. JEDER der etwas ändern will kann etwas ändern. Spätestens seit Greta Thunberg wissen wir, was einzelne - seinerzeit völlig unbedeutende - Menschen bewegen können und damit den Mächtigsten das Fürchten lehren - wenn sie die Überzeugung, den Willen und die Ausdauer haben.



Danke für das Beispiel !

Hier sei noch angemerkt, dass auch eine Greta Thunberg alleine nichts bewegt hätte - die Power dieser Bewegung kam erst durch die Teilnahme vieler Einzelner !
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Re: Anlass zum Nachdenken

Beitragvon mr.kite » 12. Jan 2021 17:09

Sacklzement ordnet das genau richtig ein. Thunberg ist ein Beispiel dafür, was möglich ist.

Ein Beispiel aus der politischen Praxis: Ein Mitglied in meinem Ortsverband ist in einer kleinen Soldatengruppe aktiv, die die Situation von aktuellen und ehemaligen schwulen Soldaten zu verbessern versucht. Mittlerweile gibt es einen Referentenentwurf aus dem Bundesverteidigungsministerium, der das Thema regeln wird und irgendwann 2021 oder 2022 Gesetz werden wird.

Was ich damit sagen will: Jeder kann etwas erreichen. Dafür gibt es Beispiele an jeder Straßenecke. Mittlerweile im wahrsten Sinne des Wortes.
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Re: Anlass zum Nachdenken

Beitragvon MonsieurL » 12. Jan 2021 20:20

@ grunzquiek

Meine Güte, du bist doch Skatspieler. Verlieren gehört zum Geschäft. Was erwartest du denn? Dass die AKW's wieder angeschaltet werden, weil einige das besser finden? Nach Fukushima waren laut Umfragen meiner Erinnerung nach rund 70 % der Bevölkerung für den Atomausstieg. Klar kannst du die Fragestellung bemängeln oder den Verstand der Atomkraftgegner in Zweifel ziehen. Aber letzteres zumindest fandest du ja fies, dann wirst du es jetzt wohl kaum befürworten.

Für eine Änderung im großen Stil braucht es nunmal Mehrheiten. Es hat rund 30 Jahre gedauert und zwei große Unfälle gebraucht, bis die Stimmung in der breiten Bevölkerung gegen die Atomkraft gekippt ist. Das hätten sich die Atomkraftgegner wesentlch früher gewünscht.

Aber selbst fundamentale Änderungen gehen manchmal recht schnell. Bestes Beisiel: der Brexit. Die Meckerei über die EU ist ja ebenso verbreitet wie das Politiker-Bashing, aber hätte vor 10 Jahren ernsthaft jemand geglaubt, dass ein zentraler Bestandteil wie Großbrittanien die EU verlässt? Und das gegen den Willen der Spitze der herrschenden Partei. Denn trotz aller Renitenz innerhalb der EU wollte die damalige Führung der Tories keinen Brexit.

Veränderung ist möglich. Und man kann für sie auch erfolgreich kämpfen, ohne sein ganzes Leben umzukrempeln oder seinen Job zu riskieren. Die Flüchtlingspolitik der Regierung - um dein zweites Beispiel aufzugreifen - hat sich nach dem Widerstand nicht unbeträchtlicher Teile der Bevölkerung auch geändert. Nicht so umfassend, wie du es dir offenbar gewünscht hättest, aber es sei daran erinnert, dass auch außerhalb des ÖRR ne Menge Leute eine gänzlich andere Einstellung zu dem Thema haben als du.

Die Gesellschaft und mit ihr die Politik haben sich generell in den letzten Jahrzehnten dramatisch gewandelt. Ich hätte mir in den 80er Jahren nicht träumen lassen, dass ich es erleben werde, dass eine grüne Partei einen Kanzlerkandidaten aufstellen wird. Aber genau das wird demnächst passieren. Und wer weiß, vielleicht erlebe ich es sogar, dass die Grünen eines Tages eine Regierung anführen. In Frankreich hat Macron mit seiner neugegründeten Partei En Marche aus dem Stand die Präsidentschaftswahl gewonnen. Hätte das irgend jemand noch vor 10 Jahren überhaupt für möglich gehalten?

Und noch ein Punkt zu deiner Kritik am ÖRR. In den 70ern und frühen 80ern war ich mit der Berichterstattung der Medien auch ganz und gar nicht einverstanden. Nur damals gab es noch kein Internet und auch noch keine Privatsender. Nicht mal eine wirklich linke Tageszeitung war verfügbar. 1978 kam dann die TAZ. Aber mit diesem dünnen Blättchen konnten wir unseren großen Informationshunger gewiss nicht stillen.

Das soll deine Kritik nicht entkräften. Wie ich schon sagte, fände ich eine größere Bandbreite in der Berichterstattung, die zur politischen Meinungsbildung erheblich beiträgt, auch wünschenswert. Aber ich hätte damals sehr gerne die Möglichkeit gehabt, mich relativ einfach über alternative politische Inhalte zu informieren.
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