Im Mikrokosmos

[Kantholz]

Liebe Skatfreunde,
jetzt, vergangenen Sommer, hatte ich das Vergnügen eine Art Biotop kennenzulernen. Das sind je 2 Wohntürme mit je ca. 200 Wohnungen.
( Der vom Skatclub " Grüne Jungs" fährt unter Umständen ab und zu dran vorbei )

Die Gebäude stehen auf großzügig bemessenem Grund. Dies fällt insbesondere dadurch auf, dass trotz der vielen Wohnungen allenfalls 10 Autos/Wohnturm auf den Parkplätzen stehen. Das ist in heutiger Zeit mehr als verwunderlich.

Direkt um das Gebäude parkt aus irgend einem Grunde keiner. Vielleicht liegt das daran, dass massenweise Glasscherben von Wein- und Bier- sowie Schnapsflaschen herumliegen.

Jedenfalls hatte ich im Sommer Termin vor Ort mit einem, der sehr wichtig war, was zu sagen hatte und direkt aus der Hauptstadt kam.

Wie sich das in solchen Fällen gehörte, war ich natürlich eine Viertelstunde vor Zeit anwesend, selbstverständlich frisch frisiert und gewandet.
Und genau so selbstverständlich kam eine Viertelstunde nach Termin der Anruf, dass aufgrund widriger Umstände sich die Sache noch etwas verzögern würde.
Unabhängig davon, dass ich zu diesem Zeitpunkt bereits bis zu den Knien im Boden eingesunken war, hatte ich natürlich kundgetan, dass auch ich aufgrund der widrigen Umstände soeben erst eingetroffen war und seinem Erscheinen freudig entgegen sah.

Dann kam er endlich, im dunklen Benz. Zu meiner Überraschung entstiegen ein allenfalls mittelgroßes älteres Männchen im Safarilook und eine recht junge, hübsche Dame, die ich zunächst als seine Gewehrträgerin einordnete und die er mir aber dann als seine Praktikantin vorstellte.

Und während wir noch das übliche belanglose Zeug hin- und her schwätzten, gab es auf einmal über unseren Köpfen ein zischendes Geräusch verbunden mit einem ordentlichen Schwall Wasser.

Ein Blick nach oben in die säumende Baumreihe zeigte die Überreste eines geplatzten, ursprünglich mit Wasser gefüllten Luftballons. Eine Art Wasserbombe, abgeworfen aus 30 oder 40m Höhe.
Die Hälfte aller Loggien am Gebäude mit Zuschauern besetzt. Da begriff ich, nicht die sondern wir waren hier hinter den (Gitter)Stäben.

Seit diesem Erlebnis, versuchte ich den Todesstreifen so schnell als möglich zu überwinden und freute mich ein jedes mal riesig, wenn ich lebend den Eingang erreichte.

War diese Hürde genommen, kam man in eine Art Vorraum mit etwa 200 Briefkästen an den Wänden. Als ich diese mal ob der gewöhnungsbedürftigen Aufschriften näher betrachtete, sprach mich ein Bewohner an, ob ich nicht Interesse an einem Briefkasten hätte, seiner würde gerade frei.

Auf meinen etwas verständnislosen Blick erklärte er mir, es gäbe Leute, die suchten hier einen Briefkasten und bräuchten keine Wohnung. Er aber hätte hier eine Wohnung und bräuchte aber keinen Briefkasten. Und so könne für 50€ im Monat zusammenwachsen was zusammen gehöre.

Über diese Sache muss ich noch mal ernsthaft nachdenken.

II.

[mr.kite]

Super Beitrag! Ich habe ihn 3mal lesen müssen um ihn zu verstehen. Und wenn ich ehrlich bin: ganz sicher bin ich mir immernoch nicht

[Kantholz]

II.

In einer anderen halbdunklen Ecke tummelten sich ein paar Leute in ihrer Freizeit unmittelbar vor oder nach Schichtbeginn.

Einer verkaufte würzige Zigarretten und orientalisch duftende Tabake. Ein anderer handelte mit Pillen aller Art, bevorzugt kleinste Mengen und offensichtlich recht teuer.

Irgenwie hielt man mich nicht für einen potenziellen Kunden, denn der Pillendreher meinte, ob ich denn nicht meinem Tagewerk nachgehen wöllte. Natürlich in seiner Sprache, frei Gedächtnis, "was glotzt`n so blöde, sieh zu, dass du weiterkommst, sonst gibt`s paar auf`s Guschi".

Natürlich lasse ich mich nicht von solchen Flegeln provozieren und erreichte über einen weiteren Vorraum endlich einen der Aufzüge.
Ich war vollkommen allein in der Kabine, welche bereits in der 2. Etage hielt. Herein kam eine Dame, so mitte 20, recht hübsch, bekleidet mit knielangen Leggins und engem Top, ansonsten barfuß.
In der Mitte der Kabinenlängswand war ein fast raumhoher etwa 60cm breiter Spiegel eingelassen, davor befand sich eine waagerechte Haltestange, vor der sie in Position ging.
Einen Augenblick lang hatte ich den Eindruck, als ob sie mich anlächelte.Im gleichen Augenblick jedoch, schalt ich mich einen Narren, denn das junge, hübsche Damen mich quasi auf offener Straße anlächeln, glaubte ja nicht mal ich selber.

Bei Erreichen der 4. Etage etwa, drehte die Dame ihren Kopf in Richtung Spiegel und war offensichtlich mit ihrer Frisur nicht ganz zufrieden, denn sie hob ihre Arme und begann mit ihren Händen das Haar zu richten.
Das war ein absoluter Härtetest für die Kleidung, die sie am Körper trug und kurz vor dem Strukturversagen stand.

Aufgrund der sommerlichen Hitze hatte ich natürlich keine Mütze auf, denn hätte ich eine aufgehabt, hätte der Fuchs mit seiner hypertonischen Verteilungsrechnung problemlos und aller Wahrscheinlichkeit nach ermitteln können, in welcher Etage es mir allerspätestens den Draht aus derselben gehauen hätte.

So aber hatte ich lediglich damit zu kämpfen, dass in der engen Kabine nur noch wenige Mikrogramm Sauerstoff / cbm Raumluft scheinbar vorhanden waren. Als es in der 15. Etage erneut " Ping " machte, konnte ich vor Zustieg neuer Leute entwischen.

Da ich mittlerweile eh`vergessen hatte weshalb ich überhaupt hergekommen war, beschloss ich den Rückzug anzutreten.
Im Eingangsbereich meinte der Tabakhändler noch, "eh, Alter, siehst richtig Scheiße aus".

Mit einem Sprung nahm ich endlich wieder auf meinem Hochsitz platz. Die Tür ins Schloss und " Power" gedrückt.

Tja, ihr Briefkastenvermieter und Pillenverkäufer, zweieinhalb Tonnen Stahl und 500 PS, da werden die Karten neu gemischt und verteilt !