Neues aus "Die Anstalt"

[Schelldaus]

Hallo zusammen,

nachdem es in dem letzten Thread auch ein wenig um die Leiharbeit ging, möchte ich auf die gestern ausgestrahlte Sendung "Die Anstalt" verweisen. Uthoff und von Wagner konnten einmal mehr das gängige System sehr gut veranschaulichen. Meines Erachtens müsste die Sendung Pflichtlektüre an unseren Schulen werden. Ich möchte mit diesem Hinweis auch keine großartigen Diskussionen starten, denn der letzte Thread hat leider deutlich gezeigt, wie stark die Gesellschaft mittlerweile gespalten ist. Andererseits besteht aber noch Hoffnung, so lange sich Menschen unterschiedlicher Auffassungen an ein Tisch setzen und zusammen Skat spielen. Und hier schließt sich der Kreis zwischen dem Beitrag und dem Skatspiel in unserem Verein, denn Skatfreunde in Leiharbeit können seltener an Spielabenden teilnehmen und auch Festangestellte sind mit knapp 50 Jahren immer noch zur Arbeit im Schichtsystem gezwungen, weil zum einem die Grundlöhne nicht angemessen sind und zum anderem die Stelle jederzeit durch einen Leiharbeiter "aufgefüllt" werden könnte. Und diese Vereinsmitglieder bestätigen selber, dass man Leiharbeiter mit einer eventuellen Übernahme ködert, damit diese alles geben, was dann auch den Druck auf die Festangestellten erhöht.

Freundliche Grüße
vom Schelldaus

[mr.kite]

Meines Erachtens müsste die Sendung Pflichtlektüre an unseren Schulen werden.

Sicher handelt es sich bei der vorgeschlagenen Ergänzung des Lehrplanes um eine äußerst gelungene Fernsehsendung mit Witz und Charme, die auf das allzu seichte Niveau der Konkurrenz verzichtet. Dennoch kann man nicht allen Ernstes ein extrem linkslastiges Medium als Leitbild für die ohnehin schon linkstendierende Jugend anpreisen... Irgendwo muss auch mal Schluss sein mit politisch formendem Unterricht.

[HomerJay]

Extrem linkslastig? Ohnehin schon linkstendierende Jugend? Von welchem Land sprichst du gerade??

Wenn auf politisch formenden Unterricht verzichtet werden soll, müsste logischerweise auch aufgehört werden, in der Schule Literatur durchzunehmen. Schließlich vermitteln namhafte Autoren (auch) eine politische Botschaft. Ich fände es jedoch sehr bedauerlich, würde sich der Unterricht in Deutsch, Englisch und anderer Sprachen ausschließlich Rechtschreibung und Stil widmen würde. Auch wenn dieshinsichtlich sicher auch Nachholbedarf besteht.

Finde es eine schöne Idee, politisches Kabarett wie "Die Anstalt" (natürlich auch andere Sendungen) im Unterricht zu schauen und natürlich auch darüber zu diskutieren.

[mr.kite]

Da ja aktuell jeder halbwegs interessante Thread von anlassloser Schließung bedroht ist muss ich noch rechtzeitig auf Homers Fragen eingehen, bevor es nichtmehr möglich ist...

Extrem linkslastig? Ohnehin schon linkstendierende Jugend? Von welchem Land sprichst du gerade??

Extrem linkslastig -> die im bundesweit empfangbaren Zweiten Deutschen Fernsehen gesendete Comedysendung "die Anstalt" (Comedy ist übrigens eine selbstgewählte Kategorie, nicht meine eigene Zuordnung!).
Linkstendierende Jugend: In erster Linie rede ich hier natürlich von "meinem" Land, also der Region München. Aber ich bin auch in anderen Gegenden auf viel linkes Gedankengut gestoßen.

Wenn auf politisch formenden Unterricht verzichtet werden soll

Dieser Meinung bin ich ausdrücklich nicht! Ich denke nur, dass alles seine Grenzen haben muss. Aus meiner eigenen Schulzeit ist mir noch gut in Erinnerung, wie wertvoll politische Auseinandersetzung und Diskussion auch im oder am Rande des Unterrichts ist. Aber wozu sollte man da vorgefilterte Informationen einer relativ einseitigen Comedysendung benötigen? Ich gebe ja gerne zu dass es mir auch lieber wäre, wenn ein größerer Teil der Schüler Blättern wie dem Focus vertrauen würde, aber soll man ihnen nun vorschreiben, dass sie ihre SZ weglegen sollen zu Gunsten eines (besseren!?!) Blattes? Ich persönlich halte es für sehr undemokratisch, an öffentlichen Bildungseinrichtungen bestimmte Medien/Veröffentlichungen zur Pflichtlektüre zu machen, wie Schelldaus das fordert.

[grunzquiek]

Ich sehe zwar gerne "Die Anstalt", fast so gerne wie früher "Neues aus der Anstalt", aber als Pflichtlektüre für Schüler? Neee, ich befürchte, dass der durchschnittliche heutige Beinahe-Abiturient von so komplexen Themen wie dem Beitrag über das Rentensystem vor 1 oder 2 Monaten dermaßen überfordert wäre, dass er in der Folgezeit bei seiner schulischen Entwicklung gehemmt wäre.
https://www.youtube.com/watch?v=tq-RA6p5mT0

Hm, tut mir jetzt aber ganz schrecklich furchtbar leid, wenn ich jemandem auf die abiturierten Füße getreten bin.

[HomerJay]

Ich gebe ja gerne zu dass es mir auch lieber wäre, wenn ein größerer Teil der Schüler Blättern wie dem Focus vertrauen würde...

Brr.....

Die Mischung macht's. Mal einige Minuten Anstalt, mal einen Artikel aus dem Focus, mal aus der taz, SZ, FR, Zeit.... Natürlich als Diskussionsgrundlage. Was besonders interessant wird, wie sich die Berichterstattung in den Medien über das selbe Ereignis unterscheidet.

[Kantholz]

da bin ich echt bei Euch.

Es sollten auch die ZDF sowie die ARD Beiträge -also die filmischen- nicht vergessen werden.
Die finde ich immer richtig gut und fortbildend.
Was da an Informationsgehalt drinsteckt, das muss doch jeden Lehrer entzücken und könnte mit wenig Aufwand den Kindern nahegebracht werden.

Denn unsere Kinder, das ist die Zukunft.

[grunzquiek]

Natürlich müssen die Schüler politisch geformt werden, sonst wissen die mit 18 garnicht, was sie auf dem Wahlzettel ankreuzen sollen. Da bedarf es schon einer genauen Prüfung der Unterrichtsmittel durch die Lehrer, damit auch alles ihrer Wahrheit entspricht. Zu meiner Schulzeit war es zum Besipiel so, dass uns im Unterricht logisch zwingend erklärt wurde, warum der Herr Marx mit seinem "Kapital" so richtig total auf dem Holzweg war und die DDR insgesamt und überhaupt sowieso. Natürlich mussten wir den Wälzer nicht ganz lesen, unser Lehrer hat die nötigen Ausschnitte schon bereitgestellt.

Das wäre heutzutage zwar nicht ganz angebracht, weil die DDR gibt's nicht mehr und der Wind weht jetzt aus einer anderen Richtung, aber es gibt ja jetzt andere Themen, bei denen man den Schülern klar machen muss, was richtig und was falsch ist, nicht dass die bei ihrer ersten Wahl womöglich auf dumme Gedanken kommen. Da sind auch Tipps, welchen Zeitungen die Schüler vertrauen können, falls sie in ihrer Freizeit doch mal etwas anderes als facebook lesen wollen, sicher sehr hilfreich.

[Primrose]

Bullshit, du hast keine Ahnung, wie heute Politik in den Klassenzimmern gelehrt wird,

[Kantholz]

Also ich kann mir nicht vorstellen, dass in den Klassenzimmern nur noch Bullshit zu politschen Themen gelehrt wird.
Ich denke, dass es viele gute Lehrer gibt, die ihren Beruf als Berufung sehen und entsprechend handeln.

[Primrose]

Erstens das, zweitens ist der rechtliche Rahmen klar gestellt. Die eigene Meinung des Lehrers hat im Klassenzimmer nichts zu suchen, da man damit in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht hat. Man erinnere sich an die Kriegsbegeisterung für den ersten Weltkrieg, die von den Lehrern vorgetragen wurde. Gar kein Problem, solange man selbst sicher im Klassenzimmer bleibt und nicht kämpfen muss. Aber ich schweife ab.

Der Kommunismus hat in der Realität bisher nicht funktioniert, das ist Fakt. Falls du aber glaubst, Schüler wären heute noch "indoktrinierbar", dann bist du gewaltig auf dem Holzweg. Du unterschützt unsere jungen Kameraden, die sehr gut in der Lage sind, sich eine eigene Meinung bilden. Die Aufgaben eines Politiklehrers sind ganz andere, als "bestimmte Meinungen" an den Mann zu bringen. Stattdessen werden folgende Fragen geklärt:

- Warum wurde Trump zum Präsidenten gewählt, obwohl Clinton 6% mehr Stimmen bekommen hat?
- Warum ist Trump als Präsident so mächtig, Steinmeier jedoch nicht?
- Warum habe ich bei der Bundestagswahl überhaupt zwei Stimmen?
- Wo lauern die Vorteile und die Nachteile bei einer Machtkonzentration auf eine Person in einem Staat?

(...)

Man kann die Lehrer immer leicht bashen. Fünfmal die Woche halbtags arbeiten, dauernd Ferien, unkündbar und fette Bezahlung. (Warum will dann nicht jeder Lehrer werden?)
Aber wie würde sich ein Politiklehrer denn bezüglich Zeitungen richtig verhalten?

a) Er ignoriert alle Zeitungen. Dann heißt es: "Bei Herr XY werden die Schüler absichtlich dumm gehalten, Zeitungen werden verboten."
b) Er trifft eine Auswahl von Zeitungen. Dann heißt es: "Bei Herr XY werden die Schüler manipuliert, indem sie nur bestimmte Zeitungen zu lesen bekommen."
c) Er lässt alle Zeitungen zu. Das gäbe einen Aufschrei, wenn die Schüler im Unterricht den Freitag und die junge Freiheit lesen.

Die meiner Meinung nach beste Variante ist folgende und wird auch so praktiziert:

d) Der Lehrer trifft eine Auswahl von Artikeln aus möglichst vielen Zeitungen und stellt sie kritisch gegenüber. Die Artikel werden nicht als Wahrheit angenommen, sondern diskutiert und hinterfragt. Man kann auch zu dem Schluss kommen, dass die "Zeit" schlicht daneben liegt. Möglicherweise muss der Lehrer sogar als advocatus diaboli Position beziehen, denn es ist wichtig, dass eine Diskussion zustandekommt. Vertritt die Klasse also geschlossen eine Seite, kann der Lehrer durch provokante Fragen diese Position hinterfragen, ohne selbst dieser Meinung zu sein.

Natürlich kann man das auf ein "Bei Herr XY wird die Zeit gelesen und er verteidigt diese Artikel auch noch" reduzieren, aber es steckt viel mehr dahinter.

Wichtig ist für mich als Lehrer übrigens, dass sich meine Schüler überhaupt mit dem Weltgeschehen beschäftigen. In der Mittelstufe ist es ja viel wichtiger, ob Dieter Bohlen eine neue Frisur hat, ob die Geissens auf Urlaub sind, ob "Auf Streife" wieder tolles Material geliefert hat oder ob heute Abend ein oder zwei Models von Heidi Klum nach Hause geschickt werden. Da empfehle ich meinen Schülern guten Gewissens, diesen Scheiß auszumachen und sich lieber eine Reportage anzuschauen. Sender oder Thema ist mir da egal.