von MonsieurL » 27. Jun 2016 03:59
Herrgott nochmal, ich bin beim Fußball auch für Deutschland und als geborener Göttinger beim Basketball für Göttingen. Natürlich ist das kein Problem, im Gegenteil. Nur wer sich selbst liebt, ist auch fähig, andere zu lieben. Als in Deutschland anlässlich der WM 2006 der "natürliche" Umgang mit der eigenen Flagge wiederentdeckt wurde, war das ein unschätzbarer Fortschritt, weil erst in diesem Moment die Rede davon sein konnte, dass wir Deutschen das Trauma vollständig überwunden haben, die Welt an den Rand des Abgrunds geführt zu haben.
Schuld bewältigt man nicht, indem man verdrängt oder eigene Identifikationssymbole wie die Nationalflagge beschämt nur im Hinterstübchen aufbewahrt. Und man darf selbstverständlich auch stolz sein auf Errungenschaften des eigenen Volkes. Selbst wenn man dazu nichts beigetragen hat, weil man z.B. noch nicht geboren war. Wo ist das Problem dabei? Unterhält man sich mit Nicht-Deutschen zu dem Thema, hört man von den meisten auch, was sie alles an den Deutschen bewundern und schätzen. Warum also sollten wir nicht dasselbe tun?
Patriotismus ist weiß Gott kein Problem, er ist ein Segen. Allerdings nur so lange, wie er nicht dazu führt, andere abzuwerten. Wenn jemand die kulturellen Eigenheiten des eigenen Volkes schätzt, aber auch gleichzeitig anerkennt, dass auch Briten, Russen, Araber und Polynesier Großartiges vollbracht haben, wird er nicht auf die Idee kommen, diese überfallen oder unterdrücken zu wollen. Weil er nämlich die Vielfältigkeit schätzt und die Bereicherung sieht, die "fremde" Kulturen darstellen. Wer sich mit Geschichte befasst, erkennt schnell, dass Fortschritt nur durch den Austausch entsteht. Durch das Aufgreifen fremder Ideen.
Warum sind wir hier in diesem Skatforum unterwegs? Weil wir die Ideen anderer, "fremder" Skatspieler aufgreifen wollen, um unser Skatspiel zu verbessern. Wir wollen unseren Horizont erweitern, weil es uns hilft, Fortschritte zu machen. Und das gilt im Kleinen wie im Großen. Ich mag Kartoffeln und Sauerkraut, aber muss ich deshalb auf Pasta und Pizza verzichten? Natürlich nicht. Was ist das für eine Verblendung, die es gutheißt, immer nur im eigenen Saft zu schmoren.
Dabei ist es so leicht, die Volksverdummer zu identifizieren. Man schaue sie sich nur an, diese verklemmten, lebens- und glückfeindlichen Gestalten. Hat man einen Adolf Hitler je lachen gesehen? Kann sich irgendjemand vorstellen, dass die Augen von Marine Le Pen Glück ausstrahlen beim Anblick ihres neugeborenen Kindes oder Enkels? Glaubt jemand ernsthaft, einen fröhlichen, angenehmen Abend mit Höcke, Petry und Konsorten verleben zu können, nach dem man hinterher denkt, jo, das hat Spaß gemacht, so einen Abend möchte ich öfter verbringen?
Noch eine Bemerkung zum Abschluss. Natürlich macht es keinen Unterschied, ob die Briten nun mit 49 Prozent für einen Austritt aus der EU sind oder mit 51. Auch der Brexit selbst ist nicht das Problem. Man kann sicher auch bessere Wege eines Austauschs und einer Zusammenarbeit finden als die völlig überladene EU mit ihrer Bürokratie und ihrem Amtsschimmel. Es sind allein die Gründe, die die meisten EU-Gegner bewegen, die Anlass zu großer Sorge geben. Und noch etwas macht mir Angst: Dass kaum jemand den Ernst der Lage wahrnimmt. Demokratie und Frieden sind kein Selbstläufer. Wenn kaum jemand der sogenannten schweigenden Masse bereit ist, beides aktiv zu verteidigen, werden uns die Herrschaften am rechten Rand die Rechnung beizeiten präsentieren. Denn diese Herrschaften strotzen vor Aktivität.