von Primrose » 5. Jul 2016 03:35
Ich lese immer wieder ein "Die Regeln sind dazu da, um eingehalten zu werden. Die Regeln sind um ihrer selbst Willen da."
Nein. Die Regeln sind da, um dann zu schlichten, wenn ein Richter angefordert wird. Aber wo kein Richter, da kein Kläger. Natürlich - wird ein Schiedsrichter gerufen, weil Oma Hilde in der Aufregung beim Anschauen des letzten Stiches vier Karten angeschaut hat, muss er auf Spielverlust entscheiden. Aber muss man in dieser Situation gleich den Schiedsrichter rufen? Oder kann man auch darauf verzichten? Das muss jeder für sich selbst entscheiden.
Übrigens, Schnittspieler: Man möge mir verzeihen, dass ich die Metaebene ins Spiel bringe, aber du bist ein wunderschönes Beispiel für die Theorie der moralischen Entwicklung nach Kohlberg.
1. Stufe – Die Orientierung an Strafe und Gehorsam: In der ersten Stufe orientieren sich diese nicht an moralischen Ansprüchen, sondern im Wesentlichen an wahrgenommenen Machtpotenzialen. Die von Autoritäten gesetzten Regeln werden befolgt, um Strafe zu vermeiden.
2. Stufe – Die instrumentell-relativistische Orientierung: In der zweiten Stufe erkennen Kinder die Gegenseitigkeit menschlichen Verhaltens. Rechthandeln besteht darin, die eigenen Bedürfnisse und gelegentlich die von anderen als Mittel (instrumentell) zu befriedigen. Menschliche Beziehungen werden vergleichbar mit der Austauschbeziehung des Marktes verstanden. Sie orientieren ihr Verhalten an dieser Gegenseitigkeit, reagieren also kooperativ auf kooperatives Verhalten, und üben Rache für ihnen zugefügtes Leid (tit for tat/do ut des – „ich gebe, damit du gibst“; "Wie du mir so ich dir").
3. Stufe – Die interpersonale Konkordanz- oder „good boy/nice girl“-Orientierung: Moralische Erwartungen Anderer werden erkannt. Den Erwartungen der Bezugspersonen und Autoritäten möchte der Proband entsprechen (good boy/nice girl), nicht nur aus Angst vor Strafe. Wird er den Erwartungen nicht gerecht, empfindet er auch Schuldgefühle. Korrespondierend dazu richtet er ebenfalls moralische Erwartungen an das Verhalten anderer. Es wird darüber hinaus häufig aufgrund der zugehörigen Intention argumentiert („Er hat es doch gut gemeint“).
4. Stufe – Die Orientierung an Gesetz und Ordnung: Über die dritte Stufe hinaus erkennt der Proband die Bedeutung moralischer Normen für das Funktionieren der Gesellschaft. Auch die nicht von Bezugspersonen an das Kind gerichteten Erwartungen werden erkannt (allgemeine moralische Regeln der Gesellschaft) und befolgt, da sie für das Aufrechterhalten der sozialen Ordnung erforderlich sind (law and order).
5. Stufe – Die legalistische Orientierung am Sozialvertrag: Moralische Normen werden jetzt hinterfragt und nur noch als verbindlich angesehen, wenn sie gut begründet sind. In der fünften Stufe orientiert sich der Mensch an der Idee eines Gesellschaftsvertrags. Aus Gedanken der Gerechtigkeit oder der Nützlichkeit für alle werden bestimmte Normen akzeptiert. Nur etwa ein Viertel aller Menschen erreicht diese Stufe.
6. Stufe – Die Orientierung am universalen ethischen Prinzip: Die sechste Stufe wird schließlich nur noch von weniger als 5 % der Menschen erreicht. Hierbei wird die noch diffuse Begründung von Normen der fünften Stufe verlassen. Die Moralbegründung orientiert sich jetzt am Prinzip der zwischenmenschlichen Achtung, dem Vernunftstandpunkt der Moral. Das richtige Handeln wird mit selbstgewählten ethischen Prinzipien, die sich auf Universalität und Widerspruchslosigkeit berufen, in Einklang gebracht, wobei es sich also nicht mehr um konkrete moralische Regeln, sondern um abstrakte Prinzipien handelt (kategorischer Imperativ). Konflikte sollen argumentativ unter (zumindest gedanklicher) Einbeziehung aller Beteiligten gelöst werden. Diese Stufe ähnelt der Normbegründungsform der Diskursethik.
Momentan steckst du in Ebene 4 fest, ich gehe nicht davon aus, dass du sie jemals im Leben verlassen wirst. Schön wäre jedoch die Erkenntnis, dass in einer idealen (Skat-)Welt nicht alle die gleichen Regeln strikt verfolgen, wie du es gerne hättest, sondern dass in einer idealen (Skat-)Welt weder ISKO, noch Skatgericht nötig wären, weil alle jederzeit das richtige Verhalten in den jeweiligen Situationen kennen würden und ihre Entscheidungen selbst aussprechen könnten.
Deutschlands bester Vorhandgeber. :)