Aussage gegen Aussage

Fragen zur ISkO

Moderator: Taronga

Aussage gegen Aussage

Beitragvon marvin » 19. Apr 2015 22:10

Oftmals kommt man als SR in die Situation, dass Aussage gegen Aussage steht. Damit umzugehen fällt mir sehr schwer. In der Theorie weiß ich zwar meist die Lösung, wenn der Sachverhalt als eindeutig vorausgesetzt wird. Aber wenn nicht.

Dazu ein Beispiel aus der Praxis. Ich werde an den Tisch gerufen und es wird mir folgender Sachverhalt recht professionell vorgetragen: HH hat gegen VH 24 geboten (unstrittig). VH behauptet, diese gehalten zu haben. HH hat aber passe verstanden und dann langsam den Skat zu sich gezogen. Dabei habe er auch verbal nochmals das passen bestätigt (genauer Wortlaut ist mir nicht mehr bekannt, in etwa "du passt also"), was VH nicht gehört haben will. Auch vom "Skat rüber ziehen" habe er nichts gesehen, da er in sein Blatt vertieft war. Erst als HH den Skat aufnimmt, schreitet er ein. MH will von alldem nichts mitbekommen haben und der Kartengeber hatte den Tisch vorübergehend verlassen.

Ich soll nun entscheiden, wie es weitergeht. Bevor ich meine Überlegungen hier poste, hätte ich aber gerne mal eure Beiträge dazu gelesen.
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Re: Aussage gegen Aussage

Beitragvon Taronga » 20. Apr 2015 00:00

Ich entscheide hier auf unberechtigte Skateinsicht durch HH mit den bekannten Folgen (Reizausschluss etc.). Begründung: Wenn HH das angebliche Passen schon verbal bestätigt bzw. bestätigt haben will, bedeutet das für mich, dass er sich eben dieses Passens nicht 100 Prozent sicher ist. Dann muss er aber auch eine Reaktion von VH (oder auch MH) abwarten, was er nach der Darstellung aber nicht getan hat.

LG
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Re: Aussage gegen Aussage

Beitragvon Eric » 21. Apr 2015 18:39

Marvin, dass sind die Fälle, vor denen es mir auch graust, und die kommen leider oft genug vor.

Eine Rückfrage bzgl. des Passens ist doch ein Zeichen, dass hier etwas falsch verstanden wurde. Daraufhin da zu sitzen und zu schweigen ist schon komisch. Und dass man - angeblich - sich noch im Reizvorgang befindent nicht merkt, dass jemand an den Skat greift ....

Im Grunde kann man beides entscheiden, wobei ich aber eher zu HH wird AS tendiere.
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Re: Aussage gegen Aussage

Beitragvon marvin » 21. Apr 2015 20:52

Dann will ich jetzt mal posten, was mir so am Tisch durch den Kopf ging.

1. Wahrscheinlichste Möglichkeit: VH hat tatsächlich die 24 gehalten und HH hat sich verhört. Dann wäre regeltechnisch korrekt, dass HH vom Reizen ausgeschlossen wird, während VH und ggf. MH bei 18 neu beginnen.

2. Aber: Warum reagiert dann VH nicht auf die verbale Bestätigung "du passt also" und das angeblich langsame heranziehen des Skats? Nochmal: HH hat seine Äußerung als Aussage und nicht als Frage dargestellt, insofern ist für mich verständlich, dass er nicht auf eine Antwort wartet. Hat VH das wirklich nicht mitbekommen, oder will er schlitzohrig HH auflauern lassen, bis er den Skat einsieht, um ihn dann vom Reizen auszuschließen und das Spiel für 18 zu bekommen?

3. Die andere (im Vergleich zu Punkt 1) regeltechnisch saubere Entscheidung wäre aus meiner Sicht, VH's Nicht-Reaktion als Indiz dafür zu werten, dass er tatsächlich gepasst hat. Dann wäre HH für 24 Alleinspieler geworden und kann nun machen, was er will.

4. Aufgrund der Situation "Aussage gegen Aussage" und fehlenden Zeugen habe ich nun nach einer salomonischen Lösung gesucht und glaubte, diese mit folgender Entscheidung gefunden zu haben: Wir tun so, als sei nichts passiert. HH hat 24 gereizt und VH muss nun entscheiden, ob er die halten will - in dem Wissen, dass HH den Skat kennt.

HH hat diese Entscheidung sofort akzeptiert, VH war nicht zufrieden. Ich habe ihn auf die Möglichkeit des Einspruchs hingewiesen, aber der kam dann nicht. Also entweder war sein Vorgehen doch nicht ganz koscher oder er hat zumindest eingesehen, dass ich in dem Fall kaum eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung finden konnte.

Dennoch kamen mir danach Zweifel, ob das denn so in Ordnung war.
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Re: Aussage gegen Aussage

Beitragvon Kantholz » 22. Apr 2015 08:30

Wenn beide Dreck am Stecken haben, müssen sie auch gemeinsam in die Waschanlage.

Ich hätte genauso entschieden (ev. noch den Skat aufdecken)!
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Re: Aussage gegen Aussage

Beitragvon Eric » 24. Apr 2015 21:31

Als ich mal einen Fall ähnlich dem hier geschilderten 7 Karten Fall zu entscheiden hatte. merkte ich "per Erscheinen" am Tisch, dass 2 der drei Spieler der GP gegen den AS, der angeblich einen Fehler gemacht hatte, eine starke "Antipathie" hegten. Keine Ahnung ob das richtig war, aber irgendwie hat das mich beeinflusst, als ich die in diesem Fall ebenfall widersprüchlichen Aussagen hörte. Es ließ das Pendel z.G. des AS umschlagen, zumal der Dritte MS eher seine "Version" bestätigte, die zwar ungewöhnlich, aber absolut keinen Regelverstoß darstellte.

In dem konkreten Fall - mal unabhängig davon, wie man die Entscheidung begründen würde/könnte - , wie wäre es mit "einpassen". Ist wie mit den zwei streitenden Kindern die sich um etwas zanken. An sich nehmen, und es somit beiden wegnehmen - sicher nicht das ungerechteste. Hier wollten offensichtlich beide ( VH und HH , MH war ja schon "out" ) spielen, es war eben nur noch nicht klar, wer bis wohin. Ein Entscheid auf Einspassen gibt keinem einen Vorteil ( Spielchance ) und beiden den gleichen Nachteil ( keine Spielchance ). Den Begriff salomonisch verdient dieser Entscheid sicher eher, wobei ich wie gesagt auch nicht wüsste, wie ich den rechtfertigen oder begründen würde. ( Man könnte natürlich ne Weile in der ISkO wühlen und so tun als gäbe es einen "gesunden Menschenverstands Paragraphen" :mrgreen: )
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Re: Aussage gegen Aussage

Beitragvon John » 25. Apr 2015 00:48

Dann pass beim Wühlen besonders auf der Seite 22 gut auf. Dort steht - extra klein und dünn gedruckt - tatsächlich so ein Paragraph. :top: :wink:

Doch habe ich hier schon öfter sinngemäß gelesen, dass die besondere Schreibweise dieses Paragraphen bedeutet, dass er auf keinen Fall zu einer Entscheidungs- oder Urteilsfindung als Begründung herangezogen werden darf.
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Re: Aussage gegen Aussage

Beitragvon mr.kite » 25. Apr 2015 16:37

Deine Zweifel, marvin, sind zweifelsfrei berechtigt. Diese Entscheidung würde ich im Leben so nicht treffen. Mal abgesehen davon dass sie völlig an der ISkO vorbeigeht halte ich sie auch "moralisch" für nicht in Ordnung. HH verschafft sich hier einen klaren Vorteil. Warum tut er das? Er wird hier nicht überrumpelt oder getäuscht. Er erkennt sogar selbst, dass der Sachverhalt unklar ist. Statt nun abzuwarten, wie man es von einem fairen Spieler erwarten würde, schafft er Tatsachen. Wie er nun darauf kommt, aus der Nichtreaktion von VH erkennen zu können, dass dieser seine Nachfrage verstanden haben soll erscheint doch sehr rätselhaft und fragwürdig.

Zum Verhalten von VH: Zu seinen Motiven kann man nur Mutmaßungen anstellen. Aber es gibt nunmal Menschen, die nichts mitbekommen, was um sie herum passiert wenn sie überlegen. Ich erinnere mich an eine Situation, wo ein Spieler drücken und ansagen musste. Im Zuge dessen warf er sein Bierglas derart um, dass das Bier in seine Richtung lief. Er merkte es erst als sein Sitznachbar ihn schüttelte und sagte: "Deine Hose wird nass". Zu spät wars da schon... Aber auch "normale" Situationen wie: MH nimmt seine Karten in einem Schwung auf und sagt laut vernehmlich "18". VH sortiert konzentriert Karte für Karte ein und fragt nun "Wer muss sagen?". Jedenfalls sehe ich hier nicht, dass VH hier irgendwas falsch gemacht hat. Weder aus dem Regelwerk heraus noch sportlich-moralisch. Daher würde ich 4.5.2 - wenn überhaupt - zu Gunsten von VH anwenden. Das ist aber nicht nötig, weil die einschlägigen Regelungen ihm sowieso Recht geben.
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