Ich habe ein Problem, das seit einiger Zeit mein Skatherz belastet und mit dem ich nicht richtig zu Recht komme. Nun bin ich zwar nicht gänzlich untalentiert, aber auf der "großen Bühne" habe ich noch keine Erfahrungswerte vorzuweisen. Um mein Problem besser zu verstehen dies vorneweg: Ich bin ein Spieler, der sich nicht gerne lange an Spielen aufhält. Ich liebe die Abkürzung und habe gerne längere Pausen zwischen den Serien. Außerdem schadet flottes Spiel gerade dann nicht, wenn man als Schiedsrichter eingeteilt ist. Wird es nämlich zeitlich eng, gerate ich ins Flattern, meine Leistung sinkt und Nerven werden blank gelegt.
Ich befand mich nun also auf der Deutschen Einzelmeisterschaft in der achten und damit letzten Serie des Turniers. Am Tisch sitzt auf Platz 1 ein Spieler aus meiner VG, ein absoluter Preisskat-Typ. Spielt seit 35 Jahren regelmäßig Preisskats auf der ganzen Welt und ist ein starker Offensiv-Spieler und dabei immer lustig (ob er gewinnt oder verliert spielt da keine Rolle). Platz 2 ist ein unscheinbarer, ruhiger, westdeutscher Durchschnittsspieler; Weder offensiv noch defensiv, kein Schnellspieler und kein Bremser. Platz 3 bin ich, vom Alter ca 60% unterhalb des Tischschnittes. Und zu guter Letzt ein Bremer auf Platz 4: Er hatte Zeit, schließlich ist er ja Raucher. Und vom Schnellspielen wird man ja müde.
Von der Turniersituation her war noch einiges drin. Eine herausragende Serie (1800) hätte noch Podiumschancen versprochen, eine gute Durchschnittsserie (1400+) hatte Aussicht auf einen Preisrang.
Die Serie begann zunächst zäh, mit mehreren komplizierten Spielen und so lagen wir gerade ein Spiel vor der Zeituhr. Spieler 4 legte nun eine Zigarettenpause ein. Zwölf Minuten später kam er wieder. Er musste sich dann aber erst wieder ins Spiel reinfinden, seine Spielzüge dauerten nun etwas länger. Dafür hatte er noch genügend Zeit, mich für meine Schwachspielerei zusammenzuscheißen - einmal zu Recht, aber meist hätte ich einfach nur Karten legen sollen die ich gar nicht hatte. Einmal kritisierte ich (berechtigt) zurück, gab das aber mit Blick auf die Uhr auf. Nach einigen NO und Gentleman-Abkürzungen (mit Spieler 1 und 2 war das möglich; man vertraute sich; Abkürzungserklärungen wurden nur im Überfliegen betrachtet) waren wir wieder auf der Höhe, als Spieler 4 sich die nächste Zigarettenpause gönnte. Als er wiederkam waren wir bei Spiel 33 schon wieder eine Runde hinterher. Der Ton wird nun rauer. Spieler 4, der mich liebend gerne kritisierte, hatte sich durch zwei selbstverschuldete Niederlagen aus dem Rennen geworfen, was ihn nicht daran hinderte, weiterhin genau zu überlegen und jedes Spiel zu Ende zu spielen. Spieler 1 stand schon gut, zwei bis drei gute Spiele noch ..., die bekam er und wurde am Ende 20. Für mich stand die Serie auf Messers Schneide. Ich hatte zwei Spiele unglücklich verloren und hatte keine realistische Chance mehr nach ganz vorne, aber zumindest 8.000 Punkte waren noch drin. Wenn nur die Zeit nicht wäre...
Spiel 35: Als Geber habe ich das Spiel verfolgt und weiß, dass der AS (Spieler 2) gewinnen wird und biete ihm die Aufgabe an. Spieler 2 ist einverstanden, Spieler 4 nicht. Aber glücklicherweise steht die Dame vom Skatgericht hinter uns und befragt mich nach meinem Wohlergehen und dass wir uns beeilen sollten, er wagt kein Beklagen. Noch 3 Spiele hinten.
Spiel 38: Spieler 1 spielt Grand. Wir haben 34 Augen , es ist noch 1 Bube draußen. Ich halte noch:
Ich sehe keine Siegchance mehr und werfe die Karten hin um zu geben. Nun wird es turbulent. Mein MS (Nr.4) führt noch den letzten Buben und 2 Volle... Was ich mir nun anhören musste kann sich jeder denken. Aber nurnoch 2 Spiele Rückstand.
Nachdem in Spiel 39 ein Kreuz mit 4 gespielt wurde besteht Nr.4 auf "ordentliches Mischen". Das macht er dann auch in der gebotenen Gemächlichkeit. Nach einem Kampfspiel bin ich 80 Punkte näher dran. Bevor ich das Spiel eintragen entreißt Nr.4 mir die Liste "zum Vergleichen". Der Kopf des Westdeutschen wird zunehmend rot.
Was Spieler 1, 2 und 3 angeht wird 4.2.9 ISkO (Kartenverrat; spielbeeinflussendes Verhalten) im Wesentlichen außer Funktion gesetzt. Spiele werden nun auch schon mit 10 Karten abgekürzt ("ich gewinne"). Das Skatgericht steht mit Stoppuhr hinter uns.
Spiel 44, wir sind noch immer 1 Spiel in Rückstand: Spieler 2 spielt Kreuz, als wir 45 haben schmiere ich in den 2-Buben-Stich nicht mein As sondern eine 10, weil ich auf das As noch einen Stich machen wollte. Für Nachrechnen hatte ich keine Zeit. Ich wollte selbst noch ein Spiel machen. "Schon das dritte Spiel, das Du Deinem Kollegen schenkst".
Spiel 46 wird eingepasst, wir sind wieder in-line
Spiel 47: Grand-Hand mit 3! Ein Spannungsabfall sonder Gleichen.
Während Spiel 48 will Spieler 4 meine Liste einsehen um seine Punkte auszurechnen. Meine Hand bleibt aber darauf. "Man fragt zuerst, wenn man was haben will" "Darf ich die Liste haben?" und reißt sie mir aus der Hand "Man wartet auf Antwort, wenn man eine Frage gestellt hat." Zugegebenermaßen nicht die Art von Respekt, die man wesentlich Älteren entgegenbringen sollte - die Reaktion hatte es aber auch in sich "Willst Du eigentlich gesund nach Hause kommen?". Er verzog sich nach der Runde sehr schnell - schließlich ist der Heimweg von Ulm nach Bremen mehr als ein Katzensprung. Eine gute Reise hat ihm keiner gewünscht.
Meine Frage nun: Wie geht man gegen sowas vor? Oder wie fängt man so einen Menschen ein, dass man zumindest für die Dauer einer Serie seinen Frieden hat? Hat da jemand Erfahrungswerte?