Glaskartenaufgaben
Anhand dieses Beitrags http://www.32karten.de/forum/viewtopic. ... sc&start=0 wollte ich nochmal ein paar grundlegende Überlegungen zur Herangehensweise an solche Aufgaben posten.
Es handelt sich um eine sogenannte Glaskartenaufgabe. Das bedeutet, dass die Kartenverteilung eines Spiels bekannt gegeben wird – also das Blatt des AS und der GS. Dies kann entweder geschehen, bevor überhaupt der erste Stich gespielt wurde (dann ist immer auch der Skat bekannt), oder nach einem oder mehreren bereits vorgegebenen Stichen. Mingers Beispiel stellt eine Variante dar, die ebenfalls öfter auftaucht: 3 Stiche sind bereits gespielt, es wird jedoch nur die Augenzahl angegeben, die AS und GS bis dahin eingebracht haben. Diese Aufgabenart ist etwas schwieriger zu meistern, weil unklar bleibt, wer in den ersten Stichen welche Karte zugegeben hat und damit eventuell wichtige Informationen zur richtigen Fortsetzung fehlen.
Eine häufig anzutreffende Form der Glaskartenaufgabe ist außerdem die Endspielstudie: Gegeben sind die Karten aller drei Spieler vor Ausspiel zum siebten Stich. Dazu werden meistens die jeweils erzielten Augen angegeben, nicht jedoch die konkreten Stiche. Mehrere Aufgaben dieses Typs mit zum Teil überraschenden Wendungen sind zum Beispiel in „Das große Skatvergnügen“ von Schettler/Kirschbach auf den Seiten 68-72 zu finden.
Glaskartenaufgaben nach dem siebten Stich werden selten gestellt, weil mit jeweils drei oder weniger Karten auf der Hand nur noch wenige Varianten möglich sind.
Glaskartenaufgaben werden nicht immer so bezeichnet; neben den oben erwähnten Merkmalen kann man sie häufig an der Fragestellung erkennen. Typische Formulierungen sind hier etwa: „Wer gewinnt bei allseits bestem Spiel?“ oder „Kann eine Partei den Spielgewinn erzwingen?“
Damit ist auch schon eine Besonderheit dieses Aufgabentyps angesprochen: Dadurch, dass die restliche Kartenverteilung komplett bekannt ist, können (und müssen) auch Spielzüge erwogen werden, die normalerweise unplausibel sind, weil sie in der Mehrzahl der Fälle falsch sind. So würde etwa im normalen Spiel mit verdeckten Karten in den seltensten Fällen von einem der Gegenspieler eine zweifach besetzte 10 zum ersten Stich ausgespielt. Genau solche Züge sind aber (auch) zu prüfen, wenn die konkrete Kartenverteilung bekannt ist.
Dies zieht einige Konsequenzen nach sich: Zunächst besitzen manche Lösungen zu Glaskartenaufgaben lediglich theoretischen Wert, weil sie nur in dieser einen Spielsituation zum Erfolg und ansonsten zum Verlust führen. Andererseits kann es natürlich sinnvoll sein, zunächst den erzwungenen Gewinnweg zu suchen und sich dann Gedanken zu machen, ob und wie man auf diese Spielzüge am Tisch - also mit verdeckten Karten - kommen könnte.
Außerdem führt die Erwägung von ungewöhnlichen Zügen auch dazu, dass man bemerkt, wie viele Varianten eigentlich in einem einzigen Spiel möglich sind; daraus ergibt sich auch, dass man meistens keine Voraussage darüber treffen kann, welche Partei am Ende die Nase vorn hat, weil bestimmte Spielzüge immer wieder mit anderen Zügen gekontert werden können, bis man dann letztendlich die beste Spielweise für beide Parteien in allen Stichen gefunden hat.
--> Eine Glaskartenaufgabe schult den Blick für die Gesamtkonstellation eines konkreten Spiels und für das Aufstellen eines Gewinnplans; verallgemeinerbar sind die gewinnbringenden Spielzüge indes meistens nicht. Durch die Beschäftigung mit Glaskartenaufgaben kann man aber sich darin üben, einen Gewinnplan bei bekannter Verteilung aufzustellen. Gesellt sich hierzu nach und nach die Fähigkeit, wahrscheinliche Kartenstände nach Reizwerten und bereits gespielten Stichen auszurechnen, ist es nicht mehr weit zum Profi, der das Ganze dann auch bei verdeckten Karten anwenden kann.
Bei Glaskartenaufgaben und ihrem Variantenreichtum gilt Todos mehrfach erwähnter Ratschlag, sich ein Kartenspiel zur Hand zu nehmen und die Karten hinzulegen, in besonderem Maße. Wer sein Kartengedächtnis schulen will, kann sich eine solche Aufgabe natürlich auch geistig „mitnehmen“ an einen Ort, der ein Nachdenken darüber erlaubt; ich habe z.B. die ersten Varianten zu Mingers Aufgabe durchgerechnet, während ich im Rehazentrum war. Irgendwann wird es allerdings meistens zu komplex, und spätestens dann sollten die Karten gelegt werden.
An Hand von Mingers Spiel (Link s.o.) werde ich jetzt die exemplarische Herangehensweise an eine Glaskartenaufgabe verdeutlichen:
Mit welchen Schritten sollte begonnen werden?