Eric hat geschrieben:und mal schauen, was ich eigentlich so alles reizen sollte, wenn ich ein Offensiver werden wollte.....
Ob Du damit des Pudels Kern triffst? Ich habe da so meine Zweifel. Ich hatte heute mal wieder unseren Wirt am Tisch, der zwar gern, aber halt nicht wirklich gut spielt. Er gehört auch zur Defensivfraktion und bekam keine Spiele. Das bewog ihn zunächst mal zu lang anhaltendem Jaulen über seine Karten, was ihm Unmengen an Sympathien und ein ganzes Fass voller aufrichtigem Mitleid einbrachte. Die Blätter veränderten sich dadurch jedoch nicht.
Dann meinte er, den Bock doch mal umstoßen zu müssen und gab bei einem Spiel mit gar nix in der Hand Gas. Er fand zwei Mittel-Buben und warf einen Null offen weg. Seine Sympathiewerte schossen dadurch speziell bei mir durch die Decke (ich hätte einen Grand mit drei gehabt, musste aber bei 22 die Segel streichen) und seine Liste war komischerweise gerade vom Aggregatzustand schlecht in den Aggregatzustand grottenschlecht übergegangen.
Seine Laune war danach - Überraschung, Überraschung - immer noch mies, aber mittlerweile hatte er seine Mitspieler wenigstens angesteckt. Die Stimmung am Tisch war unter den Gefrierpunkt gefallen. Spaß hatte niemand in der Liste, nicht mal der Gewinner, der sehr ordentlich gepunktet hatte.
Denk bitte nicht, Eric, dass ich bei Dir ein ähnliches Benehmen am Tisch vermute, davon bin ich weit entfernt. Mir geht es mit dieser Geschichte um etwas ganz anderes. Ich glaube, dass dieser Mann eine ganze Reihe von Fehlern gemacht hat, die weder mit seinem Kartenmaterial noch mit seinen Spielfähigkeiten zu tun hatten.
Zunächst mal wussten wir ab dem zweiten Kästchen immer schon vor Beginn des Reizvorgangs, ob er passen würde. Dass er uns, seinen Gegnern, damit einen unschätzbaren Vorteil verschaffte, muss ich wohl nicht näher erläutern. Das setzte sich im Spiel fort. Wenn er kein gutes Ausspiel hatte, war er nur am Schulterzucken und in den Karten rumrühren. Der jeweilige AS hatte nie Mühe, rauszufiltern, ob Schneiden angebracht ist oder nicht.
Weiterhin hatte sein tiefes Versinken in Selbstmitleid zur Folge, dass sein Gegenspiel noch deutlich schlechter wurde, als es normalerweise ist. Wie sollte es auch anders sein? Wie soll sich jemand auf das Spielgeschehen konzentrieren, der doch vollauf damit beschäftigt ist, zu ergründen, warum er das ärmste Schwein ist, das auf dieser Welt rumläuft? Das besonders Fatale dabei: Eine Antwort auf die ihn bedrängende Frage hat er trotz allen Grübelns nicht gefunden ... Oder etwa doch? Ich gestehe, ich habe die naheliegende Antwort übersehen. Der Wald hat sich bei mir Deppel mal wieder hinter den Bäumen versteckt. Schuld sind ... natürlich die Flüchtlinge und die Politiker, die sie in Scharen zu uns locken.
Doch damit nicht genug. Bleibt noch sein Wildern in fremden Gefilden, sprich sein plötzlicher Wechsel zum Offensivspiel. Jeder Skatspieler hat Stärken und Schwächen. Nicht mal der Allerbeste ist in allen Disziplinen gut, die beim Skatspiel nützlich sind. Dementsprechend muss auch jeder Spieler mit der Zeit einen Spielstil entwickeln, der zu ihm passt. Der seine Stärken am besten zur Geltung bringt und seine Schwächen am ehesten übertünchen kann. Die meisten Spieler haben - selbst wenn sie ihre Stärken und Schwächen gar nicht so differenziert auflisten können - einen ganz guten Instinkt, welcher Stil zu ihnen passt.
Und wenn jemand sich der Defensive verschrieben hat, hat er dafür meist gute Gründe. Diese Gründe sind viel eher in seiner Persönlichkeit zu suchen als in seinem Spielvermögen. Mit wachsendem Spielvermögen verändert sich nur die Einschätzung dessen, was man als defensiv ansieht. Dass ein HelAu als erwiesener Defensivspieler viel mehr schwache Spiele als Du, Eric, anreizt, liegt für mich nicht an einer Fehleinschätzung von Dir, sondern schlicht daran, dass er durch seine Erfahrung weiß, wie oft und vorallem wie er diese relativ schwachen Spiele doch nach Hause schaukeln kann. Diese Sicherheit aber gewinnt man erst mit einer Verbesserung seiner Spielstärke. Mit einem Wechsel zum Offensivspiel wird ein defensiv veranlagter Spieler nur eines erreichen: seine Ergebnisse in den Keller spielen.
Fazit: Wachsenden Erfolg beim Skat wird man m.E. nur haben, wenn man daran arbeitet, seine Spielstärke zu verbessern. Ein Wechsel des Spielstils, so man ihn denn schon halbwegs gefunden hat, wird sich dabei eher negativ auswirken. Ein weniger hochklassiger Spieler hat auch weniger Erfolge, aber er kann immer noch sehr ordentliche Ergebnisse erzielen, wenn er wenigstens die skatfremden Fehler, die unser Wirt heute haufenweise zum Besten gegeben hat, auslässt.