Inkonsequenz bei Urteilen über das Reizen

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Inkonsequenz bei Urteilen über das Reizen

Beitragvon John » 26. Apr 2017 09:39

Seit Jahren stört es mich schon, dass man beim Reizvorgang einerseits oft sehr, sehr kleinlich ist, andererseits absichtliche Verstösse ohne Konsequenzen bleiben.

Ich nenne einmal zwei Beispiele: MH reizt 18, VH passt, HH sagt: Mehr habe ich auch nicht.

Es sind sicher Urteile ergangen und bekannt, dass MH nun auf sofortigen Spielgewinn wegen Kartenverrat ausgehen kann und viele sind sicher auch der Meinung, dass das so richtig sei.

Anderes Beispiel: Bekanntlich bietet ja die Möglichkeit des Sprungreizens MH oder auch HH die Chance, das Blatt nicht durch den Reizvorgang zu verraten. Es ist also taktisch sinnvoll, u. U. nach 18 oder sofort nicht durchzureizen, sondern gleich auf 48 zu gehen, speziell für HH, nachdem VH vielleicht bei 23 gepasst hat. Aber: MH kann dieses Vorhaben regelwidrig umgehen (jedoch absolut ungeahndet), indem er nach dem Passen von VH den Reizvorgang "abkürzt". z. B. mit "ich gehe bis 44 mit". Die Folgen kann man sich ausrechnen. HH reizt vielleicht seinen Grand, bekommt ihn bei 48, aber die skattechnisch klug ausgedachte Variante des Sprungreizens wurde ihm genommen und Pik kann ihm den Grand versauen.

Was kann er tun? Nichts, denn kein Paragraph schützt ihn vor diesem offensichtlichen Kartenverrat, da er ja noch nicht einmal Alleinspieler ist.
Im Gegensatz zum ersten Beispiel, bei dem der Passende eine unpassende Formulierung für sein Passen gewählt hat.

:nein: :nein:

Mich würde es wirklich interessieren, ob ihr dieses Problem im Regelwerk und in der Umsetzung genauso seht wie ich.
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Re: Inkonsequenz bei Urteilen über das Reizen

Beitragvon marvin » 26. Apr 2017 22:01

Zum "Mehr habe ich auch nicht" würden mich konkrete Entscheidungen interessieren.

Wenn ich Zeuge des Geschehens war, wäre für meine Entscheidung wichtig, ob
1. Der Satz ohne Unterton gefallen ist oder
2. im Stil "meeeeeeeeeeeeeeeeeehr habe ich auch nicht"

Im ersten Fall würde ich auf "nichts passiert" entscheiden, da der Satz einfache Umgangssprache sein kann.
Den zweiten Fall dagegen würde ich als versuchten Kartenverrat werten, aber VOR Beendigung des Reizens. Und damit wäre MH vom Reizgebot 18 entbunden und müsste neu entscheiden, ob er spielen oder einpassen will.

MH's "ich halte bis 44" müsste man dann konsequenterweise ebenfalls mit Reizausschluss ahnden und HH die Entscheidung überlassen, ob er gegen VH neu Reizen oder einpassen will.
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Re: Inkonsequenz bei Urteilen über das Reizen

Beitragvon John » 27. Apr 2017 11:20

So einfach liegt die Sache eben nicht. Gemäß 3.3.8. ist das Bieten oder Halten eines Reizwertes unwiderruflich. Und da - jedenfalls für die meisten, die sich mit dem Regelwerk beschäftigen (müssen) -Ausnahmen verpönt sind, wenn der Wortlaut der Regel unzweideutig ist, kann das "Reizgebot" (oder in diesem Falle das widerrechtlich angekündigte Halten) nicht für ungültig erklärt werden. Den betreffenden Spieler, hier also MH, vom Reizen auszuschließen, geht eigentlich auch nicht, da der Verstoß - wenn man ihn überhaupt als solchen ahnden würde, was ja nicht einmal der Fall ist - gleichzeitig mit dem Bieten (Halten?) passiert ist. Also schon das Dilemma: Entweder man ignoriert den 3.3.8. , dann kann wenigstens MH nicht sein Pikspiel durchführen oder man ignoriert ihn nicht und verschafft ihm damit einen vielleicht sogar von ihm gewollt herbeigeführten Vorteil. Dass HH wegen des Kartenverrats die Möglichkeit eingeräumt wird, von seinem Reizgebot zurückzutreten, ist ok und schützt ihn wenigstens vor einem Spielverlust, falls nur ein Grand in Frage käme. Nicht aber davor, durch einen klaren Regelverstoss um ein Spiel gebracht zu werden, das ihm ansonsten zu rein mathematisch mindestens 75 % den Gewinn gebracht hätte.

Was nun Fall 1 betrifft. Ich habe keine Urteile parat, aber eines im Gedächtnis, in dem klar auf KV entschieden wird, unabhängig von der Betonung der eeeeeeeeeeeeeeeee. Das Wort "mehr" genügt schon (Eignung!).

Mein Grundproblem an der Sache ist hier, dass eben ein relativ geringer, nicht einmal als eindeutiger Regelverstoss prinzipiell zu ahndender normaler Spielvorgang, also das Passen von HH, hier nach 4.2.9. regelgerecht sanktioniert werden kann, bzw. der AS mit Spielgewinn belohnt wird (unter Umständen, ohne dass überhaupt ein tatsächlicher Regelverstoss vorliegt), im anderen Falle aber ein offensichtlicher Regelverstoss (Nichteinhalten der Reizreihenfolge, 3.3.2. - 3.3.4.) geschieht, ohne dass auch nur der Versuch unternommen wird, den Benachteiligten zu schützen. Einfach, weil das Regelwerk insgesamt hier keine nachvollziehbare Möglichkeit bietet.
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Re: Inkonsequenz bei Urteilen über das Reizen

Beitragvon mr.kite » 27. Apr 2017 16:22

Ich sehe das im wesentlichen wie John. Das Regelwerk bietet klare Lösungen die im Ergebnis einfach unbefriedigend sind. Ich denke dass in der Phase zwischen Beginn und Ende des Reizens das Regelwerk am meisten Verbesserungspotential aufweist. Denn wie John schreibt: MH erzwingt sich hier fast zwangsläufig sein Pikspiel das er unU nicht bekommen hätte.
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Re: Inkonsequenz bei Urteilen über das Reizen

Beitragvon marvin » 27. Apr 2017 20:46

Nochmals ausführlicher.

Fall 1
Zunächst ist die Frage zu klären, ob "mehr habe ich auch nicht" überhaupt einen Regelverstoß darstellt. Klar kann man das so sehen, aber dann würden 90% der Spiele nicht zu Ende geführt, weil - überspitzt gesagt - irgendeiner der Beteiligten gezwinkert hat.
Obwohl ich selbst darauf achte, möglichst fair und regelgerecht zu spielen, rutscht mir doch auch immer mal ein "ich hab nicht mehr" oder "keine Lust" (könnte man interpretieren als: ich hab mein Spiel nicht ausgereizt, es wird mir aber bei der Reizhöhe zu heikel) raus. Eben weil es langweilig ist, stundenlang immer nur "ja", "nein", "passe" zu sagen. Deshalb wäre es mir viel zu kleinlich, grundsätzlich auf Regelverstoß zu entscheiden. Muss man vielleicht nicht so sehen, aber es ist nun mal meine Ansicht.
Aber auch wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass es sich um einen Regelverstoß handelt - entweder aufgrund der Umstände oder weil man nach diesem Satz immer so urteilt - ist die Frage, wie er sanktioniert wird. Entscheidend dabei ist, ob der Regelverstoß vor oder nach Beendigung des Reizens erfolgte. Aus meiner Sicht weder noch, sondern "während Beendigung des Reizens", aber das sieht die Skatordnung nicht vor.
Für mich gehört die Erklärung des Passens, welche das Reizen beendet, eher zur Reizphase als zur Phase danach, deshalb würde ich in Analogie zu 3.3.9 anwenden. Der regelt zwar dem Wortlaut nach nur die unberechtigte Einsicht des Skats oder der Karten eines Mitspielers während des Reizens, aber einen anderen Paragraphen zu Regelverstößen während des Reizens gibt es nicht. Und so komme ich zu dem Ergebnis, dass MH nicht mehr an die 18 gebunden ist, während HH vom Reizen auszuschließen ist.
Muss man vielleicht nicht so sehen, aber die Alternative, den Regelverstoß auf die Phase nach Beendigung des Reizens zu legen, finde ich auch nicht überzeugender.

Fall 2:
Hier ist wieder die Frage, wie man die Äußerung von MH werten will. Regeltechnisch hat MH zu diesem Zeitpunkt die Klappe zu halten und abzuwarten, was HH reizt. Das tut er nicht, also ist es strenggenommen ein Regelverstoß. Man kann wie oben darüber nachdenken, ob man das als unbeabsichtigtes Verplappern abtun will oder ob man es gerne sanktionieren möchte. Mir fällt es schwerer als im Fall 1, hier eine bloße Ungenauigkeit, mit der MH niemanden schaden will, zu erkennen, und auch Johns Initialbeitrag geht ja in die Richtung, dass er sich eine Sanktion wünscht.
Und das lässt sich meines Erachtens am ehesten so lösen, dass man wegen Regelverstoß während des Reizens den 3.3.9 analog anwendet, also MH ausschließt sowie VH und HH neu bei 18 mit dem Reizen beginnen lässt.
Muss man nicht so machen, aber zumindest bei unbelehrbaren Spielern würde ich nach Ermahnung im Wiederholungsfall so entscheiden.
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